Knapp über 100 Handelsunternehmen mit einem Planumsatz in Höhe von 750 Mio. Euro für 2022 befragte die Unternehmensberatung Fashionconsult zu den aktuellen und erwarteten Kennzahlen, um zu Beginn des vierten Quartals den Zustand der kommenden Monate von Oktober 2022 bis Juni 2023 im Modehandel zu prognostizieren. Geschäftsführer Leo Faltmann sowie Sören Zitzelsberger von Fashionconsult und Barbara Koch, Geschäftsführerin der Personalberatung Staff Solutions, stellten die Ergebnisse der Befragung in einer Online-Präsentation am 13. Oktober vor.
Der Tenor des Ausblicks ist in der Präsentation bereits über den ersten Statistiken deutlich in einem Satz zusammengefasst: „Die Krise erreicht den Modehandel!“ Die Vorhersage wurde zusammengestellt und veröffentlicht, um Händlerinnen und Händler dazu zu motivieren, ihre Kennzahlen und Prognosen kritisch zu prüfen. Für den Rest des Jahres würden den Ergebnissen nach zwar steigende Umsätze erwartet, doch das liege in erster Linie am schwachen Vergleichszeitraum und an vereinzelten Corona-Einschränkungen, die im November und Dezember 2021 galten. Für das zweite Quartal 2023 wird deshalb bereits ein Umsatzminus von 0,9% im Vergleich zum zweiten Quartal 2022 erwartet.
Besonders belastend werden die steigenden Energiepreise in den nächsten neun Monaten ausfallen. „Wir haben gefragt, wer stabile Preise hat. Viele Händler haben Modelle, in denen die Energiepreise nicht langfristig gesichert sind“, erklärte Faltmann. Preisanstiege von 212% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum werden in den kommenden neun Monaten die Folge sein, so die Erwartung. Er appellierte an den Handel, die Politik noch mehr auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Die Branche müsse klar aufzeigen, dass sie zutiefst von der Energiekrise betroffen ist.
Während nur rund die Hälfte, 54%, glauben, dass die Energiebeschaffung noch optimiert werden kann, überlegen sich die meisten Händlerinnen und Händler bereits, wie sie bei ihrem Energieverbrauch sparen können. 84% möchten die Schaufensterbeleuchtung anpassen, 82% das Personal mit in den Prozess einbeziehen. Einige Befragte haben Heizen und Lüften nur in der Öffnungszeit oder nicht dauerhaft geöffnete Türen als Stellschrauben angegeben, mit denen sie den Energieverbrauch optimieren wollen.
Bewährte Mitarbeiter nicht vergessen
Auch steigende Personalkosten sind eine Belastung für den Einzelhandel. Sie werden in den kommenden Monaten voraussichtlich um 9% steigen. „Die Arbeitnehmer sehen sich in einer besseren Verhandlungsposition und es gibt eine höhere Bereitschaft, für ein höheres Gehalt den Arbeitgeber zu wechseln“, fasst Staff Solutions-Geschäftsführerin Barbara Koch zusammen. Dabei stehen die Verantwortlichen vor der Herausforderung, bei den steigenden Gehältern für neue Mitarbeitern die alten nicht zu vergessen. Das spreche sich sonst herum und man riskiert, gute und erfahrene Mitarbeiter zu verlieren. 84% der Befragten erwarten, dass die Löhne für Mitarbeiter im Verkauf steigen werden. In anderen Bereichen ist die Prognose nicht ganz so eindeutig. Beim Personalbestand erwarten zum Beispiel nur 6% eine Lohnerhöhung, 65% gleichbleibende Löhne und 29% sinkende Löhne.
Bedrohung noch kein existenzielles Problem
Rund 80% stimmten der Aussage zu, dass die aktuellen Probleme bedrohlich für die Branche sind. „Dazu fällt auf: Niemand hat angegeben, dass die Situation überhaupt keine Gefahr darstellt“, bedenkt Fashionconsult-Mitarbeiter Sören Zitzelsberger. Die größten Risiken sind aktuell Konsumverzicht (35%) und Kostensteigerung (33%), zwei Risiken, die direkt mit der Inflation zusammenhängen. Pandemiebedingte Einschränkungen wurden nur noch in 3% der Angaben als eines der größten Probleme der Branche genannt. Eine positive Aussicht aus der Umfrage: Der Modehandel hat zurzeit kein Liquiditätsproblem. 76% der Händler werden ihre Zahlungsziele nicht verändern. Der Aufruf von Leo Faltmann daher zum Schluss: „Habt Furcht, aber keine Angst. Angst macht panisch, Furcht macht aufmerksam.“ Die Situation ernst nehmen und auf unternehmerische Tugenden wie Sparsamkeit, Kreativität und Weitblick setzen bringe mehr, als vor Angst irrationale oder kurzfristige Entscheidungen zu treffen.