Welche Missstände sehen Sie insbesondere im Bereich Leder?
Da die asiatischen Leder qualitativ meist noch nicht dem Standard im hochpreisigen Segment entsprechen, werden Leder teils um die ganze Welt geschickt, z.B. von Italien nach China, um dann die halbfertigen Produkte wieder zurückzuschicken, um sie in Italien oder Osteuropa zu veredeln und dann wiederum auf die Geschäfte weltweit zu verteilen.
Was könnte dagegen unternommen werden?
Einfluss nehmen könnte man hier durch mehr Lohnveredlung und Zurückholen der Produktionen nach Europa, was auch seit letztem Jahr zu beobachten ist –
es wird häufiger zu 100% wieder in Europa gefertigt, vor allem in Portugal und Italien. Wenn man so will, ist das ein positiver Nebeneffekt der Pandemie.
Ist das Problem eher im Preiswert-Sektor vorhanden – oder gilt es branchenweit?
Ich finde, dass preiswerte junge Labels hier eher transparenter und offener sind als die preislich höher angesiedelten und länger etablierten Marken.
Was wünschen Sie sich von den Verbänden der Branche? Wer will, kann und sollte aktiv werden?
Es wäre wünschenswert, kurzfristig eine Kennzeichnungspflicht mit ’made in‘ und längerfristig eine Art Label einzuführen, sozusagen den ’grünen Knopf der Lederwarenindustrie‘. Federführend könnte hier der Bund der deutschen Lederwarenindustrie in Zusammenarbeit mit dem Zoll sein.
Ist es überhaupt möglich, in einer so global organisierten Branche wie dem Leder/Lederwarenmarkt wirklich nachhaltiger zu werden?
Ich sehe hier durchaus Potenzial. Aktuell wird auch versucht, Alternativen zu Leder anzubieten, davon halte ich allerdings nicht viel, da diese neu entwickelten Materialien auf PU-Basis hergestellt und nicht so langlebig sind.
Ist die aktuelle Störung der Lieferketten – auch im Bereich Leder und Komponenten – möglicherweise eine Chance, um vorhandene Probleme in den Griff zu bekommen?
Das ist eine sehr große Chance, um einerseits unabhängiger zu werden und hier eine stärkere Kontrolle zu haben. Vielleicht ist es bald auch wieder möglich, mehr Produktion in Deutschland zu etablieren, das würde ich mir wünschen.
Das Interview ist erschienen in schuhkurier Ausgabe 4/Schwerpunkt Nachhaltigkeit. Zum ePaper der Ausgabe gelangen Sie hier.