Die Corona-Krise hat die Lederwarenbranche im Griff. Wie sieht aktuell die Situation in der Jost-Zentrale in Hachenburg und an euren Produktionsstätten aus? Ist der Kopf frei für die Entwicklung der neuen F/S-Kollektion?
Dietmar Jost: Unsere fünf Läden sind wie alle anderen Geschäfte seit dem 18. März geschlossen. Den Rest der Woche arbeiteten wir im Großhandel noch normal. Am Montag, den 20. März, erhielten wir sehr viel Ware von unseren Händlern zurückgeschickt. Außer Online-Händlern lässt niemand eine Belieferung zu. Wir räumten unser Lager auf und legten es sozusagen in den „Winterschlaf“. Unsere Mitarbeiter haben im März Überstunden abgebaut und Resturlaub genommen. Wir haben für März daher noch komplett die Löhne selbst gezahlt, inkl. der Sozialbeiträge u.a. für die Krankenkasse. Seit Anfang April sind aber auch die Mitarbeiter im Großhandel zu 100 Prozent in Kurzarbeit.
Wir drehen aktuell an allen Stellschrauben, um die Auszahlungen zu senken und die Liquidität im Griff zu halten. Dafür sprechen wir auch mit unseren Lieferanten in Polen, China und Indien. Als es in China „drunter und drüber“ setzten wir verstärkt auf unseren polnischen Partner. Doch auch diese „feste Burg“ ist komplett geschlossen. Nachdem in einem Nachbarort die ersten Corona-Fälle auftraten, reichten alle Mitarbeiter Urlaub ein.
Die Gespräche mit den Banken verlaufen bisher leider nicht zufriedenstellend. Mit den überarbeiten Zusagen der Politik vorgestern Abend (6. April, 100% staatliche Haftung für KfW-Kredite, längere Laufzeiten, Anm. d. Red.) hoffe ich aber, dass wir hier weiterkommen. Allerdings stellt sich dann immer noch die Frage, wie schnell wir das Geld bekommen, das wir vorstrecken.
Die chinesische Produktion dagegen läuft wieder an, und ich hoffe, zwei große Aufträge für nicht europäische Kunden Ende April ausliefern zu können.
Die Frühjahr/Sommer-Kollektion 2021 ist komplett in Arbeit für alle drei Liefertermine. Allerdings produziert aktuell keine unserer Muster-Werkstätten…
Die Geschäfte sind geschlossen. Wie unterstützt Jost aktuell den Handel? Und: Wie kann der Handel euch unterstützen?
Jost: Wir sprechen mit unseren Kunden und unterstützen im Einzelfall. Wir brauchen den Dialog miteinander. Daher reagiere ich auch etwas empfindlich, wenn große Kunden einseitig ihre Zahlungsziele verlängern. Dazu muss man wissen, dass über Verbundgruppen- oder Individualvereinbarungen bereits in der Vergangenheit längere Zahlungsziele als 30 Tage gewährt wurden.
Wir stecken in einer Zwischenposition und müssen auch den Verpflichtungen unserer Partner u.a. in Asien nachkommen, die keine staatliche Unterstützung erhalten. Ich wünsche mir daher, dass alle Ebenen der Wertschöpfungskette – Einzelhandel, Großhandel und Produzenten – soweit es möglich ist ihre Mittel selbst organisieren.
Wie verändert sich aktuell die Lederwarenbranche? Rückt sie zusammen oder driftet sie auseinander?
Jost: Wir sprechen mit vielen Kollegen, und der Austausch macht wirklich Mut. Teilweise herrscht in der Branche ja eine Weltuntergangsstimmung, aber wir dürfen uns nicht runterziehen lassen. Wir haben bei uns im Betrieb die junge Generation am Mittagstisch sitzen. Die laufen uns davon, wenn wir trotz der großen aktuellen Schwierigkeiten keine Zuversicht ausstrahlen.
Wir dürfen auch nicht vergessen: Viele Leute, z.B. Pensionäre, leiden wirtschaftlich bisher nicht unter der Corona-Krise. Wenn die Geschäfte wieder öffnen, gibt es sicher Anlaufschwierigkeiten. Auch der Bereich Reisegepäck bleibt wohl schwierig. Aber an Einkaufen mit Maske werden sich die Konsumenten gewöhnen, davon bin ich überzeugt. Das wird nicht das Problem sein. Die jungen Leute tragen Masken ein Stückweit bereits als Mode-Artikel.