„Wer den Handel der Zukunft gestalten will, muss die Innovationen von morgen bereits heute verstehen“, so simpel und zugleich anspruchsvoll ist die Kernaufgabe für jedes Unternehmen der Branche zu umreißen. Das zweite Zukunftsforum der ANWR Group soll nach dem Willen der Organisatoren an die Premierenveranstaltung anknüpfen und dem Handel dabei helfen, für sich die passenden Technologien aus dem Komplex der Digitalisierung herauszufiltern.
„Eine der schwierigen Fragen ist die des Spielfeldes, auf dem wir uns bewegen“, erklärte Günter Althaus: „Was ist das Spielfeld? Was sind die Maßnahmen und Instrumente, mit denen wir gewinnen können?“ In den zurückliegenden zwei Jahren habe die ANWR Group etwa 50 bis 60 unterschiedliche Technologien im Hinblick auf ihre Sinnhaftigkeit für den Handel getestet. Man habe „manches aussortiert“, so Althaus, was sich zwar als „nice to have“ präsentiert, im Hinblick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis jedoch durchgefallen sei. Gleichwohl: „Eine Reihe von Technologien sind übrig geblieben, mit denen wir bereits gute Erfolge erzielt haben“, so Althaus. Der Vorstandsvorsitzende zeichnete ein plakatives Bild, um die aktuelle Aufgabenstellung für den Handel zu definieren: „Die Frage, die wir zu beantworten haben, lautet nicht: Wird der klassische fossile Antrieb durch einen Elektroantrieb ersetzt? Die Frage ist nicht, welche Antriebsformen wir nutzen, sondern was auf der Straße passiert. Wer sorgt für reibungslosen Verkehr?“ Heruntergebrochen auf die Digitalisierung im Schuhhandel heiße das: Es ist nicht die Frage, wie mein Onlineshop aussieht, sondern wie man die richtige Verbindung zum Kunden aufbauen kann.
Die ANWR hat hierfür Strategien entwickelt. „Wir werden Brücken bauen müssen von der alten in die neue Welt, vom stationären in den Onlinehandel.“ Konkret: „Was haben Sie bisher gelernt und was müssen Sie lernen, um erfolgreich in die Zukunft zu kommen?“
Eine der großen Voraussetzungen für nachhaltige Veränderung ist nach Überzeugung Althaus’ die Veränderung des so genannten Mindset. Althaus forderte die Zuhörer auf, Begriffe, die mit ’un‘ anfangen, „auf die Seite zu legen.“ Jeder Unternehmer solle „das Unmögliche gemeinsam mit den Mitarbeitern erforschen und umsetzen.“
Für den ANWR-Chef führt dieser Ansatz auch zu einer neuen Sharing Economy für die Branche: das Teilen von Infrastruktur, Instrumenten, vielleicht Flächen, auf jeden Fall aber von Wissen und Know-how. „Wer sich heute noch in sein Kästchen zurückzieht und sagt, das ist meins, der wird diese Zeit nicht überleben. Es ist die Zeit der neuen Partnerschaften. Und die müssen wir mit ganz unterschiedlichen Partnern eingehen. Vielleicht auch mit denen, die wir früher als unsere Feinde angesehen haben“, so Althaus.
2018 – „das erfolgreichste Jahr in unserer Geschichte“
Die ANWR Group entwickelt im Rahmen eines neuen Projektes mit dem Namen ’Evolve‘ Strategien, um sich für ihre Mitgliedsunternehmen weiterzuentwickeln. Das laufende Jahr werde „das erfolgreichste in unserer Geschichte“, so Althaus. Trotzdem sei in der Gruppe der „Startschuss für Veränderung“ gefallen, um mehr maßgeschneiderte Lösungen, gemeinsame Netzwerke und eine Vielzahl von Dienstleistungen für die Mitglieder zu entwickeln. „Alles, was wir Ihnen anbieten, setzt auf Zusammenarbeit, auf Netzwerke, auf Teilen. Etwas anderes werden Sie hier nicht finden“, so Althaus mit Blick auf das Angebot des Zukunftsforums.
Der von der Verbundgruppe vorgezeichnete Weg dürfte allerdings nach Aussage Althaus‘ nicht reibungsfrei verlaufen: „Manchmal sind es die Antworten, die weh tun. Und auch die Fragestellungen werden an Punkte gehen, wo es weh tut.“ Aufgabe der ANWR Group sei es, „Handel neu zu denken, mit Ihnen gemeinsam neu zu denken.“ Die Glühbirne, so ein plakatives Beispiel, wäre nie entstanden, wenn man nur versucht hätte, die Kerze zu verbessern.
„Wir reden über eine neue Art des Handels, der Transaktion und der Kommunikation mit den Kunden“, fasste Althaus zusammen. Gelernt habe man aber seit dem letzten Zukunftsforum, dass Technik nur sinnvoll funktioniert, wenn Menschen mit ihr umgehen und sie anwenden können. Dies fordere Mitarbeiter und Händler. „Es wird schnell klar, dass zwischen dem, wo wir mit der Digitalisierung hinwollen und dem Mitarbeiter im Unternehmen oft eine ziemlich große Lücke klafft. Und diese Lücke müssen wir füllen. Mit Bildung. Mit der Möglichkeit, Digitalisierung zu lernen, sie anwenden zu lernen. Wenn wir das nicht tun, schaffen wir eine Zweiklassengesellschaft – aus denjenigen, die das können und verstehen und denjenigen, die das nicht können.“
Für die ANWR wird hier ab 2019 ein neuer Schwerpunkt liegen. Die Initiative ’New Work‘ soll Wege hin zu einem anderen Arbeiten ebnen und Unternehmern sowie ihren Mitarbeitern dabei helfen, ein anderes Mindset zu entwickeln und ihr Verhalten zu ändern. „Wir müssen unsere Mitarbeiter und uns selbst fit machen für Technologien, die noch gar nicht da sind“, so Althaus.
Zu den ohnehin großen Herausforderungen wie schlechten Umsätzen und veränderte Anforderungen der Kunden und des Marktes komme also eine weitere hinzu: das Investment in Qualifikation und Know-How der Mitarbeiter. „Nur wenn wir Personal haben, das die digitale Transformation umsetzen kann und trotzdem in der Lage ist, menschliche Beziehungen aufzubauen, haben wir eine Überlebenschance“, stellte der ANWR-Chef klar. Im Übrigen sei ein neues Mindset keine Frage des Alters. „Ich bin zu alt dafür – das ist eine Ausrede. Jeder kann das lernen. Vielleicht mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Aber wir kommen gar nicht darum herum, wenn wir als Unternehmer Verantwortung übernehmen.“
Viele Themen aus dem Bereich der Digitalisierung machten, so Althaus, durchaus auch Spaß. „Suchen Sie sich die Dinge heraus, mit denen Sie sich weiterentwickeln können. Dann werden Sie feststellen, dass Digitalisierung mehr Chance als Risiko ist.“