Herr Gessner, wie ist Ihr Unternehmen durch die ersten neun Monate des Jahres gekommen?
Christoph Gessner: Es gab natürlich Höhen und Tiefen. Wir hatten mit einigen Themen zu tun, die wir zu Beginn des Jahres nicht auf dem Schirm hatten, sei es Warenbeschaffung oder Logistik, wo es beispielsweise vielfach Fahrermangel gab. Insofern ist das Jahr 2022 ein sehr spannendes Jahr. Wir sind bis dato gut durch dieses Jahr gekommen und freuen uns über sehr erfolgreiche Reinverkäufe für H/W 22/23. Natürlich könnte es immer noch etwas besser sein. Aber es könnte auch noch viel schlimmer sein. Wir haben mit vielen unserer Kunden gute und individuelle Lösungen finden können. Insofern sind wir zufrieden.
Was erwarten Sie vom Saisonverlauf H/W 22/23? Der September war ja sehr gut für viele Händler. Im Oktober spielte das Wetter nicht mit und es kam zu Rabattaktionen…
Momentan tun sich bestimmte Warengruppen etwas schwerer, was meiner Meinung nach aber nicht unbedingt etwas damit zu tun hat, dass sie derzeit nicht mehr im Trend liegen. Im konsumigen Bereich, also in unserem Marktsegment, gibt es bei den Verbrauchern durchaus eine gewisse Sorge und Konsumzurückhaltung. Dabei müssen wir zwischen Impuls- und Bedarfskauf unterscheiden. Wenn wir uns die Bedarfskäufe anschauen, stehen manche Themen womöglich nicht ganz oben auf der Agenda. Da fragt sich eine Kundin vielleicht: Warum soll ich mir bei den warmen Temperaturen derzeit einen winterlichen Sneaker kaufen, wenn ich mir in ein paar Wochen sowieso eine Stiefelette kaufe? Das hören wir derzeit, wenn wir mit Händlern – online und stationär – über die Saison sprechen. Der Übergangsschuh wird derzeit ein bisschen zurückgestuft. Und zwar nicht, weil er grundsätzlich nicht gefragt ist, sondern weil eine gewisse Angst und Vorsicht spürbar sind. Wir werden noch einige Zeit abwarten müssen, bis wir wissen, wo die Verbraucher am Ende stehen, wie hoch ihre finanziellen Belastungen tatsächlich sind und wie viel Geld sie für den Konsum übrighaben. Das können wir derzeit noch nicht absehen.
Ist das konsumige Segment aus Ihrer Sicht besonders gefährdet?
Nein, das glaube ich nicht. Wir werden aufgrund leichter Preisanpassungen für unsere Marke den einen oder anderen Endverbraucher vielleicht nicht mehr gewinnen können – dafür aber andere. Es ist ja nicht so, dass nur der Kunde des niedrigen Preisbereichs nicht mehr gewillt oder in der Lage ist, den etwas höheren Preis zu zahlen. Darüber hinaus gibt es sicherlich auch Konsumenten, die bislang vielleicht im etwas höheren Konsumsegment kauften und jetzt nicht mehr bereit sind, für einen Sneaker statt bislang 90 oder 100 Euro nun 120 zu zahlen. Die schauen sich vielleicht auch nach neuen Marken um. Insofern glaube ich nicht, dass wir besonders gefährdet sind. Das spiegeln uns auch unsere Kunden im Handel. Für unsere Marke gilt also: Es gibt Kunden, die nicht mehr wiederkehren, aber wir haben auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher neu gewonnen. Ich habe keine Angst davor, dass wir durchs Raster fallen.
Welches Fazit ziehen Sie nach der Orderrunde F/S 23?
Angesichts der Umstände haben wir die Runde mit einem noch zufriedenstellenden Ergebnis abgeschlossen. Wir haben eine Preiserhöhung vornehmen müssen; wir waren aber auch eine der wenigen Marken, die in den letzten Saisons – F/S 22 und auch H/W 22 – keine Preiserhöhung durchgeführt haben. Wir haben uns seinerzeit auf die Fahne geschrieben, dass wir unsere Kunden im Handel, die eh schon gebeutelt waren, nicht mit höheren Preisen belasten wollten. Für F/S 23 konnten wir diese Haltung allerdings nicht mehr fortführen. Die Kosten sind auch bei uns explodiert. Dabei rede ich gar nicht von den Produktionskosten, sondern von Umlaufkosten wie z.B. für Tracking und Transport. Die finanzielle Belastung ist so stark gestiegen, dass auch wir unsere Preise erhöhen mussten. Wir waren anfangs unsicher, wie die Reaktionen im Handel sein würden. Bei den ersten Terminen gab es schon Nachfragen. Aber im weiteren Verlauf der Saison stießen wir auf viel Verständnis. Wir sind ja nicht die einzigen, die Preise anpassen mussten. Natürlich hat der eine oder andere Händler statt des 69er-Schuhs lieber auf den 59er gesetzt. In dem einen oder anderen Fall haben wir leicht bei der Paarzahl eingebüßt, aber das hielt sich sehr im Rahmen. Daneben gab es auch Kunden, die uns signalisiert haben, dass sie unsere Position verstehen – im Hinterkopf unsere Strategie, dass wir zwei Saisons lang die Preise stabil halten konnten.
Um wie viel haben Sie Ihre Preise erhöht?
Im UVP sprechen wir im Schnitt von einer Erhöhung um 10 Euro.
Wird es weitere Preiserhöhungen geben?
Unser Ziel ist es, nicht noch einen draufzupacken. Das hängt aber auch von externen Faktoren ab. Wir versuchen derzeit, einiges zu kompensieren, unter anderem dadurch, dass die Containerpreise gesunken sind. Der Dollar spielt uns allerdings nicht unbedingt perfekt in die Karten. Wir haben auch noch nicht alle Preise und Kalkulationen fertig. Wir versuchen, weitere Preiserhöhungen zu vermeiden. Je nach Warengruppen sollten wir zudem bestimmte Eckpreislagen nicht überschreiten. Es gibt aber auch Schuhe, bei denen das durchaus möglich ist. Es ist also immer auch ein Austausch. Einige Modelle, die eher Nachfolger bisheriger Trendthemen sind, sollten preisstabil bleiben. Dann gibt es aber auch Modelle mit toller Ausstattung und anderen Features, bei denen höhere Preise gerechtfertigt sind. In Summe wird es ein guter Mix sein.