Welche Themen bleiben hinter Ihren Erwartungen zurück?
Peter Bödeker: Es sind die Sneaker, die über alle Warengruppen, egal von welchem Lieferanten, deutlich schlechter laufen als erwartet.
Was bereitet Ihnen mit Blick auf den Markt derzeit Kopfzerbrechen?
Peter Bödeker: Die Preissteigerungen bei den Schuhen, gerade bei Kinderschuhen, wo im Winter die 100 Euro-Marke geknackt wird.
Gisela Bödeker: Die Preissteigerungen sind sehr hoch, ebenso bei Wanderschuhen. Wenn der EK um 10 Euro erhöht wird, ist der VK schon 20 Euro höher – das wird schwer werden.
Peter Bödeker: Und dann haben wir natürlich viele Fragen: Haben die Leute Lust, rauszugehen? Es wird derzeit wieder so negativ geredet, dass viele Angst haben und weniger konsumieren werden. Wir haben dann einen so genannten Soft-Lockdown ohne Unterstützung mit 20 bis 30% Minus – wie lange sollen wir das noch verkraften? Werden es die Leute im Winter warm haben? Wird der Krieg zu Ende sein? So viele Fragezeichen gab es in meinem ganzen Leben nicht. Ohne dass wir uns davon jetzt negativ beeinflussen lassen wollen, sind es dennoch Herausforderungen, die in zwei, drei Monaten auf uns zukommen werden.
Viele Händler klagen derzeit über Personalprobleme…
Peter Bödeker: Die Arbeits- und Leistungsbereitschaft ist drastisch gefallen. Ich bin eigentlich nur noch unterwegs auf Mitarbeitersuche und zur Motivation. Letzte Woche bin ich 1.000 km gefahren, nur um Leute anzuschauen. Auch bestehende Mitarbeiter ändern teilweise ganz dramatisch und aus unerfindlichen Gründen ihre Gesinnung. Dabei braucht man jetzt doch Aufbruchstimmung und eine Mannschaft, die hinter einem steht. Alle, die zweifeln und nicht im richtigen Tempo mitgehen, sind eigentlich hinderlich und passen nicht mehr ins Team. Leider kann man in vielen Bereichen nicht auf sie verzichten und muss mit einem Kompromiss leben. Inserate, Indeed, Internet – alles, was man da unternimmt, hat fast keinen Sinn. Die Regierung muss dringend etwas tun, dass die Leute wieder arbeiten wollen und sich nicht ständig krankmelden, je nachdem, ob sie gerade Lust haben zu kommen oder nicht.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Industrie?
Peter Bödeker: Unser Unternehmen besteht seit 1959 und wir haben eine stetige Verbindung zu unseren Industriepartnern sowie zu unseren Handwerkern. Wir werden aus unserer Sicht vorzüglich bedient – in gegenseitiger Aufmerksamkeit. Auch die Wahrnehmung der Probleme der jeweils anderen Seite – Kostensteigerung, Materialbeschaffung, Lieferungen, hat sich deutlich intensiviert. Es ist ein Bewusstsein für das Gegenüber entstanden, und auch ein deutlich besseres Miteinander.
Das Thema Partnerschaft wird derzeit häufig bemüht. Ist die Branche in der Krise partnerschaftlicher geworden?
Peter Bödeker: Ich habe am Anfang der Krise erheblich schlimmere Situationen erlebt, wenn ich nur an Mieter und Vermieter denke. Die einen hatten keine Chance, Einnahmen zu generieren, und die anderen wollten weiter ihre Miete haben. Bei manchen Industrielieferanten ist man auf Verständnis gestoßen, das hat sich im Allgemeinen nochmals deutlich verbessert und weiterentwickelt.
Welche Rolle können und sollten Verbundgruppen in diesem Zusammenhang spielen?
Peter Bödeker: Wir ziehen einen großen Nutzen aus den Messen in Mainhausen, aus dem O1, der geographischen Nähe und den verschiedenen Messeschwerpunkten. Das erleichtert die Order erheblich und hat uns auch veranlasst, Düsseldorf abzusagen. Das Angebot in Mainhausen empfinden wir als repräsentativ, auch wegen der besonderen Valuten-Konditionen.
Die Zentralregulierung ist eine weitere wichtige Leistung, übrigens auch der anderen Verbundgruppen. ANWR und SABU haben eigene Banken, was die Belieferung absichert und gewährleistet, dass die Lieferanten ihr Geld bekommen. Das ist der zweite Nutzen. Einen weiteren erkenne ich im Moment nicht. Ich frage mich eigentlich: Ist es nicht allerhöchste Zeit, dass sich Aufsichtsräte von ANWR, SABU, Intersport und Sport 2000 mal vierzehn Tage oder drei Wochen in Klausur setzen, um zu überlegen, wie man fusionieren könnte? Und man könnte auch gleich Katag und Unitex einbeziehen. Welchen
Sinn macht es, einen großen Schuhverband in Mainhausen und einen kleinen in Heilbronn mit den gleichen Zielen zu führen? Oder umgekehrt: Welchen Sinn macht es, einen große Intersport und eine Sport 2000 ebenfalls in Konkurrenz und mit den gleichen Zielen zu führen? Es geht hier wirklich um den Nutzen für die Handelslandschaft, die ganz dringend auf solche Verbände und deren Leistungen angewiesen ist.
Es gibt viele Synergien, weil Stärken und Schwächen auf beiden Seiten vorhanden sind, und ich sehe außerdem eine ganz deutliche Kostenersparnis.
Mein Wunsch wären ein starker Sportverband und ein starker Schuhverband. Dann müssen alle mal ihre Posten und Ämter in den Hintergrund stellen und die tatsächlichen Aufgaben in den Vordergrund. Gleiches gilt für die Katag, wo wir Mitglied sind, und die Unitex. Überall wird gegenseitig abgeworben. Vor kurzem sind einige größere Händler von der ANWR nach Heilbronn gewechselt, sicherlich nicht aus einer großen Zufriedenheit heraus. Es sollte doch eher geschaut werden, wie man dem Händler größtmöglichen Nutzen bieten kann, anstatt dass beide Gruppen bei einem Schuh- oder Textillieferant vorsprechen und versuchen, sich gegenseitig auszustechen. Man sollte die Kräfte bündeln und für alle einen größeren Nutzen herausholen. Das sind meiner Ansicht nach die Zeichen der Zeit, und das sollte nicht in tausenden Meetings, sondern einer wirklich offenen Klausurtagung von offenen Menschen, die Verantwortung tragen, kurzfristig umgesetzt werden.
Was erwarten Sie von der zweiten Jahreshälfte?
Peter Bödeker: Wir versuchen, nicht daran zu denken – aufgrund der schon genannten Themen, die uns mehr oder minder schwer tangieren. Wir können nur spekulieren, wie sehr die Dinge wirklich durchschlagen werden. Aus der Corona-Krise, als es eigentlich um alles ging, haben meine Frau und ich mitgenommen, dass wir positiv und optimistisch sein wollen und die Dinge auf uns zukommen lassen, um dann hoffentlich gut reagieren zu können. Alles andere ist für uns im Moment nicht absehbar. Nur: rosig wird es nicht.