Die spontanen Reaktionen fielen durchweg positiv, teilweise sogar euphorisch aus. Knapp zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil zu einem der großen Konfliktthemen der Krise gesprochen: Müssen Einzelhändler auch im Lockdown Miete zahlen? In zahlreichen Verfahren und verschiedenen Instanzen konnte diese Frage bislang nicht abschließend geklärt werden. Die Richter in Karlsruhe stellten nun fest, dass Corona-geschädigte Händler grundsätzlich Anspruch auf Mietanpassungen haben. Von dem Urteil könnten tausende Schuhhändler profitieren, jubelte der BTE Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren unmittelbar nach der Urteilsverkündung. Das erscheint vorschnell. „Grundsätzlich“ bedeutet in diesem Zusammenhang nämlich nicht „immer“. Vielmehr bedürfe es stets einer eingehenden Einzelfallprüfung, heißt es in der Urteilsbegründung des BGH. Eine pauschale Kürzung der Miete um die Hälfte sei nicht zulässig. Im Grunde handelt es sich bei dem salomonischen BGH-Urteil um eine Aufforderung zum Dialog. Wenn der Staat landesweit Läden schließt, sollen sich Mieter und Vermieter möglichst in bilateralen Verhandlungen über eine Reduzierung der Miete einigen. Diesen Gesprächen darf sich keine Partei entziehen. Im Kern ist das die Essenz der Entscheidung aus Karlsruhe. Es ist wichtig und richtig, dass sich die Immobilienbesitzer an den Kosten der Krise beteiligen – auch über die Phasen der Lockdowns hinaus. Die Stärkung der Innenstädte wird eine Kraftanstrengung, die nicht allein dem Handel und den Kommunen überlassen werden darf. Auch die Eigentümer von Handelsimmobilien haben eine Verantwortung für lebendige und abwechslungsreiche Standorte. Eigentum verpflichtet.
Der Kommentar stammt aus der schuhkurier-Ausgabe 03/22. Alle Details und Stimmen zum Gerichtsurteil hier im ePaper.