Statt Staus und Verkehr Pflanzen am Wegesrand und ein separater Fahrradweg. Mit der Verbannung der Autos auf der Friedrichstraße zwischen der Französischen Straße und der Leipziger Straße sollte die Hauptstadt mehr Lebensqualität in ihrem Zentrum hinzugewinnen. Als Treffpunkt und „Flaniermeile“ sollte auch die Frequenz gesteigert werden, was wiederum zu mehr Kundschaft im Einzelhandel führen sollte. Doch viele Händler sind unzufrieden und auch Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey meint, dass man nicht von einer „Flaniermeile“ sprechen könne: „Ich bin – so wie es im Moment ist – nicht zufrieden. Ich höre von Gewerbetreibenden, dass sie weniger Kundschaft haben. Wir haben als Weltstadt die Verantwortung, die Friedrichstraße so zu gestalten, dass Menschen angezogen werden“, erklärte sie im 100-Tage-Interview mit dem Radiosender Spreeradio 105,5.
Auch gegenüber schuhkurier gab es unzufriedene Stimmen aus dem Handel. Zwar seien die Frequenzen aufgrund der Lockdowns und der Pandemie nicht komplett auf die Straßensperrung zurückzuführen, doch der Versuch, Menschen mit weniger Verkehr und mehr Lebensqualität in die Straße zu locken, sei nicht aufgegangen. „Der Plan ist nach hinten losgegangen. Es hat sich für die Aufenthaltsqualität auf der Friedrichstraße eigentlich wenig verändert“, schildert ein Verkäufer eines Schuhgeschäftes auf der Friedrichstraße: „Statt Autofahrer sind jetzt Fahrradfahrer auf der Fahrbahn, die wenig Rücksicht auf die Fußgänger nehmen. Der Straßenabschnitt ist eine Radrennbahn geworden.“ Entspannt von Straßenseite zu Straßenseite zu flanieren sei also immer noch nicht möglich. Es seien zwar auch viele Kundinnen und Kunden mit dem Auto angereist, doch der Straßenabschnitt ist auch sehr gut an die U-Bahn angeschlossen, sodass der Verkäufer die Idee einer verkehrsberuhigten Zone nicht grundsätzlich unsympathisch findet: „Es ist eigentlich eine schöne Sache. Ich weiß nicht, ob zum Beispiel eine reine Fußgängerzone besser für die Frequenz wäre als früher, aber es wäre definitiv eine bessere Lösung als jetzt.“
Es gibt jedoch auch positive Stimmen aus dem Handel. „Für mich fällt die Umstellung sehr positiv aus“, berichtet beispielsweise Ute Leder, selbstständige Storebetreiberin von Joe Nimble an der Friedrichstraße. Die höhere Lebensqualität habe sich positiv auf Frequenz und Verweildauer ausgewirkt: „Unsere Stammkunden berichten, dass sie nun gerne ohne Auto kommen, um nach dem geplanten Einkauf über die Friedrichstraße zu schlendern. Die Verweildauer der Laufkundschaft ist auch gestiegen.“ Gewerbetreibende hätten nun die Möglichkeit, auf der freigewordenen Flaniermeile Vitrinen aufzustellen und Kundinnen und Kunden erzählen Ute Leder fast täglich, dass sie dadurch auf den Joe Nimble-Store aufmerksam geworden sind.