Zalandos neues Gebührenmodell: Schock im Schuhhandel
Weitere Statements aus der Branche
- 06.03.2023
- Petra Steinke
- 13 Minuten
Weitere Statements aus der Branche
Aus der Branche gibt es zahlreiche Meinungsäußerungen zu den jüngsten Ankündigungen von Zalando. Daniel Terberger von der Modeverbundgruppe Katag sagt gegenüber schuhkurier: „Das neue Konditionsmodell unterstreicht, wie unterschiedlich die Interessen der Fachhändler auf der einen Seite und von Zalando als börsennotiertes Unternehmen auf der einen Seite sind. Mein Herz schlägt für den Fachhandel und die Händler haben berechtigterweise kein Verständnis dafür, wenn die Order schon platziert wurde und dann so kurzfristig die Regeln geändert werden. Natürlich hat Zalando juristisch die Möglichkeit, die Änderungen durchzusetzen, aber es ist ohne vorherige Kommunikation völlig unpartnerschaftlich. Sie sind in erster Linie ihren Aktionären verpflichtet, auch wenn diese Entscheidung schon brutal interessensfokussiert ist und es allen anderen schwieriger macht, Geld zu verdienen. Ich glaube aber nicht, dass Zalando von den Reaktionen überrascht ist oder zurückrudern wird. Dafür wissen sie zu sehr, was sie tun.“ Er betont, dass es nach wie vor nicht unmöglich ist, auf Zalando Geld zu verdienen und jeder Händler individuell kalkulieren muss, ob es noch sinnvoll ist, an Zalando angeschlossen zu bleiben: „Wir als Verbundgruppe können nur versuchen, mit an Lösungen zu arbeiten, die alle Interessen miteinander vereinbaren. Dafür muss nun verstanden werden, was die Entscheidung genau für die Möglichkeiten bedeutet, auf der Plattform Geld zu verdienen. Was mir dabei wichtig ist: Es wird zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Im Durchschnitt wird es herausfordernder, auf Zalando noch Geld zu verdienen, im Detail muss jeder Händler selbst die eigene Situation betrachten, rechnen und überlegen: Welche Rolle spielt das Zalando-Geschäft in der eigenen Strategie? Habe ich eine Nische, mit der ich bei Zalando punkten kann oder gibt es Produktgruppen, die besser online verkauft werden, weil sie zum Beispiel nicht zum Konzept auf der Fläche passen.“
Für Martin Schneider, Director von GMS, sind die neuen Zalando-Gebühren nur die Spitze des Eisbergs der Probleme mit dem Online-Verkauf: „Wer rechnen kann, wird schnell feststellen, dass sich der Online-Verkauf von Schuhen selten lohnt. Die meisten Händler wechseln lediglich Geld, wenn es gut läuft. Größtes Problem sind – neben den Plattformgebühren und den Versandkosten – die hohen Retourenquoten und oft auch die zu geringe Bongröße. Zalando gehört hierbei zu den Spitzenreitern bei den Retouren.“ Der Fachhändler werde durch das Plattformgeschäft zu einem Dienstleister der Betreiber und Zalando nutze dies nun aus: „Gelockt wurde der Handel mit sehr günstigen Gebühren. Jetzt optimiert Zalando seine Marge nach eigenem Belieben ohne jeden Verhandlungsspielraum für den dort seine Ware anbietenden Fachhändler. Diese Abhängigkeit ist fatal, zumal die Risiken vollständig beim Händler liegen. Durch die nun geänderte wesentlich teurere Gebührenstruktur ist die Kalkulation zusätzlich erheblich verschlechtert.“
Die Verbundgruppe GMS sei nun mit den angeschlossenen Händlerinnen und Händlern im Austausch und wolle über Online-Strategien generell beraten, verrät Schneider: „Bei vielen ist die anfängliche Online-Euphorie Ernüchterung gewichen, was durch die neue Situation verschärft wird. Wir haben ein Rechentool, mit dem wir schnell und individuell bestimmen können, ob sich der Online-Verkauf für den einzelnen Händler lohnt. Wir raten allen Händlern, den Online-Verkauf kritisch zu kalkulieren, genau zu prüfen welche Ware online vermarktet werden soll und welche nicht und dann zu entscheiden. Dabei sollte der zusätzliche Aufwand und auch der in der Regel erforderliche höhere Lagerbestand mitberücksichtigt werden.“ Mit dem Online-Verkaufen gehen viele Kosten und Nachteile einher, die oft zunächst nicht bedacht werden wie hohe Fulfillmentkosten und der aufwändige Retourenprozess. „GMS rät daher, In vielen Fällen ist es deshalb sinnvoller und wird von uns oft geraten, seine Energie in sein stationäres Geschäft zu investieren. Mit einer guten Beratung lassen sich vernünftige Preise durchsetzen und die Kunden langfristig binden“, meint Martin Schneider.
Achim Gabor, Vorstandsvorsitzender des Rosenheimer Schuhherstellers, erklärt auf schuhkurier-Anfrage: „Je nach Preislage und Retourenquote machte es für Händler bereits vor dieser Gebührenerhöhung aus wirtschaftlicher Sicht oft wenig Sinn, bei diesem Geschäftsmodell mitzumachen. Nun kommt es zu einer weiteren, deutlichen Reduzierung der Rentabilität. Dass die Entscheidung so kurzfristig erfolgte, sorgt zu Recht für Empörung. Schließlich haben Händler dafür Ware angeschafft und finanziert. Für uns als Lieferant bedeutet das, dass wir massiv Paarzahlen bei den Bestellungen für H/W 2023 verlieren, weil Händler dieses Modell nicht mehr mitmachen werden. Selbst für F/S 2023 wollen einige sogar noch stornieren.“
Manfred Junkert, Hauptgeschäftsführer des HDS/L, erklärt gegenüber schuhkurier: „Eine Konditionserhöhung in der laufenden, margenschwachen Saison halten wir für sehr schwierig und nicht partnerschaftlich.“
Rolf Pangels, Hauptgeschäftsführer des BTE, erklärt: „Die Ankündigung von Zalando hat in unserer Branche zu einem Aufschrei geführt. Wir kennen noch nicht die letzten Details, aber was da auf uns zukommen könnte, ist schon dramatisch. Welche Auswirkungen die neue Gebührenstruktur im Detail auf die Händler haben wird, das ist noch unklar. Aber es war ein Schlag ins Kontor.“ Zu raten sei dem Handel, falls möglich, neu zu verhandeln. Darüber hinaus müsse versucht werden, andere Möglichkeiten auszuloten wie die stärkere Konzentration auf das stationäre Geschäft oder neue Partnerschaften. „Es wird ein Strauß von mehreren Faktoren sein“, so Pangels.
Seitens der ANWR Schuh heißt es zum Thema: „Wir raten den Händlern grundsätzlich bei jedem Point of Sale – egal ob online oder offline –, den Deckungsbeitrag genau im Blick zu behalten.“ Relevant seien dabei die Fragen, wo und unter welchen Rahmenbedingungen ein Händler Geld verdienen kann oder nicht. „Das Onlinegeschäft ist sehr kostenintensiv. Gebühren, Logistik und Versand, die Retourenabwicklung schlagen zu buche. All das muss berücksichtigt werden für die Frage, was verkaufe ich wo zu welchem Preis“, so die Verbundgruppe gegenüber schuhkurier.
„Wir bemängeln den Zeitpunkt“, sagt ein Händler, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Im laufenden Prozess Gebühren zu erhöhen, ist nicht partnerschaftlich. So handeln Kaufleute nicht.“ Gleichwohl sei die Ankündigung als solche durchaus nachvollziehbar. Und Zalando bewege sich mit den neuen Gebühren etwa auf Augenhöhe mit anderen Plattformen wie Amazon. „Es ist eine Herausforderung für uns, ja. Aber wir müssen dann eben unsere Workflows anpassen und damit umgehen.“ Nicht vergessen dürfe man das durchaus partnerschaftliche Verhalten von Zalando in der Pandemie: „Die haben uns ein Jahr lang keine Gebühren berechnet. Welche andere Plattform hat so gehandelt?“
Stephan Holbach vom Schuhhaus Holbach in Konz erklärt: „Ich finde das Verhalten von Zalando nicht partnerschaftlich. Ob nun aus Ahnungslosigkeit oder aus Kalkül, diese Entscheidung wird zu einem Zeitpunkt verkündet, an dem die Händler 50% der Vororder für H/W schon getätigt haben. Für uns bedeuten die neuen Gebühren, dass etwa 60% unseres Angebots wegfallen. Preislagen unter 100 Euro machen so bei Zalando keinen wirtschaftlichen Sinn mehr. Das sind dann ca. 60% des Warenlagers. Gerade die schlecht kalkulierten Schuhe, etwa von Sportartikel-Anbietern, werde ich von der Plattform nehmen und versuchen, sie stationär oder über andere Plattformen zu verkaufen. Deren Performance ist derzeit aber auch nicht unbedingt gut.“
Der Pirmasenser Schuhhändler Mathias Ledermann erklärt: „Das ist schon starker Tobak, den man uns hier präsentiert. Ich bin der Meinung, wir sollten uns wehren. Die Händler haben bereits Mengen gesetzt, die eben auch für diesen Kanal geplant waren. Es ist ein Unding, dass man mitten in der Orderrunde solche Ankündigungen macht. Kein Händler kann in der Kürze der Zeit reagieren. Uns trifft das Vorgehen von Zalando ebenfalls. Ich empfinde das als unfaires Verhalten. Offenbar sollen die Gebühren für Connected Retail an die des Partnerprogramms mit den Lieferanten angepasst werden. Die Industrie hat aber eine ganz andere Wertschöpfungskette und eine höhere Kalkulation als der Handel. Ich frage mich: Was ist das Ziel? Will man den Handel letztlich loswerden, den man noch vor kurzem engagiert akquiriert hat? Wir fordern Zalando auf, diese Provisionserhöhung bis zum Jahresende auszusetzen, so dass sich der Händler wenigstens darauf einstellen kann. Außerdem sollte man die Erhöhung an sich, nochmal überdenken.“
SABU-Geschäftsführer Stephan Krug sieht die Ursachen für den jüngsten Schritt von Zalando in der derzeit angespannten wirtschaftlichen Situation. Zum einen sei die Meldung überraschend gekommen und zum anderen trägen die Gebührenerhöhungen recht kurzfristig in Kraft. „Willkommen in der Realität, Zalando! Wenn die Wachstumsstory für die Investoren abhandenkommt, müssen die (Personal-)Kosten runter und Margen/Provisionen hoch. Für die Händler bedeutet dies, dass dieses eh schon margenschwache oder zum Teil, wenn richtig gerechnet, defizitäre Geschäft jetzt beinahe gänzlich unattraktiv wird“, so Krug. „Nach unseren Berechnungen rechnen sich im Schnitt bei ’Zalando-Artikeln‘ lediglich erzielte Preis von über 130 Euro und bei ’Nicht-Zalando-Artikeln‘ über 150 Euro. Damit fallen ca. 60 bis 70% der bislang verkauften Mengen in darunter liegenden Preislagen weg.“
Die Konsequenz könne nur volle Konzentration auf die exzellente Umsetzung des stationären Geschäftsmodells mit gnadenloser Orientierung auf die Endkonsumentenbedürfnisse sein – „und wenn online, mit einer eigenen Microsite als Service und/oder selektiv über Plattformen und Preislagen, die positive Deckungsbeiträge generieren“, stellt der SABU-Geschäftsführer klar.
Völlig unerwartet sei das neue Gebührenmodell eingeführt worden, sagt Händlerin Sandra Müller aus Weil am Rhein, die mit ihrem Kinderschuhgeschäft Pippi-Lotta unter anderem über Connected Retail Schuhe verkauft. Die von Zalando angekündigten Schritte – Provisionen für den Plattform-Zugang ab April sowie eine Grundgebühr ab Juli und eine zusätzliche Payments Service Fee – seien nicht partnerschaftlich, ist die Händlerin überzeugt: „Die Gebührenerhöhungen sind gerade im Bereich „Incremental Artikel auf Zalando“, also von Connected-Retailern eigenständig angelegten Artikeln, massiv“, resümiert Müller. „Inklusive Payment Fee liegen diese ab 100 Euro VK bei 25%. Zusätzlich kommt bei den Artikeln, die ich über Zalando verkaufe, eine extrem hohe Retourenquote hinzu. Auch bei einer niedrigeren Retourenquote lässt sich mit der neuen Gebührenstruktur für mich als Händler kein Geld mehr verdienen.“ Die Konsequenz für die Händlerin: „Ich werde den größten Teil meines Sortiments nicht mehr auf Zalando anbieten.“
Die vom Onlinehändler angekündigten Incentives als Gegenleistung für die Händler nützten ihr wenig, sagt Müller: „Ich benötige keine Incentives und auch keine Belohnungen. Die Gebührenstruktur muss so sein, dass mein Unternehmen wirtschaftlich ist. Noch mehr Umsatz bei noch höheren Kosten bringt noch mehr Verlust.“
Auch Marcus Höhne, Schuhhaus Hittcher in Hamburg, erreichte die Gebührenerhöhung unangekündigt: „Für uns kommt diese Änderung überraschend, und vor allem überraschen uns die Kurzfristigkeit der Umstellung und die Höhe der Änderung.“ Die Folgen sind für den Händler jedenfalls hochproblematisch: „Für uns werden 63,5% des Sortiments nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll auf Zalando darstellbar sein.“ Noch schlimmer stehe es zudem um rund 10% des Sortiments, die als „Incremental Assortment“ angeboten werden. „Um genau diese Artikel hat sich Zalando bisher intensiv bemüht und uns ermuntert, diese bei Zalando zu listen. Es gibt sogar ein eigenes Portal, um die Daten einzupflegen, und eine Abteilung bei Zalando – das Artikelmanagement –, die viele Händler in dem Programm geschult hat. Genau diese Artikel sollen jetzt nochmal eine zwischen 3-5% erhöhte Provision erhalten. Dies stößt bei uns auf Unverständnis, denn wir erweitern das Angebot von Zalando, investieren Zeit und Arbeit, um den Zalando-Kunden eine größere Auswahl zu bieten und werden zukünftig noch durch höhere Provision dafür bestraft?“
Partnerschaftlich findet Höhne das jüngste Vorgehen von Zalando nicht: „Sich über Jahre hinweg als partnerschaftlich und dem Handel zugewandt darzustellen wird mit der Höhe und der Geschwindigkeit dieser Anpassung ad absurdum geführt. Die Händler haben einen Großteil der Order bis einschließlich Dezember schon bei den Lieferanten getätigt und Absatzmengen für den Kanal Zalando mit berücksichtigt. Wenn Zalando partnerschaftlich wäre, dann hätten sie unsere Orderzyklen beim Timing der Gebührenanpassung mit bedenken müssen! Entweder man war sich dessen nicht bewusst oder es ist einem egal, in beiden Fällen wirft es kein gutes Licht auf die vermeintliche Partnerschaft.“
Mit der Idee der angekündigten Incentives kann Höhne wenig anfangen, vielmehr stellt er konkrete Anforderungen an den Onlinehändler – unabhängig von den Gebühren: „Ich fordere bereits seit über einem Jahr folgende Dinge: Automatisierung der Artikelanlage, einen Algorithmus, der erkennt, dass durchlaufende Artikel nicht bei Zalando aufgrund von „Altsaison“ automatisch abgeschaltet werden, und die Freischaltung der Connected Retail-Händler für den Cross-Border-Commerce in alle weiteren europäischen Zalando-Märkte.“ Diese Forderungen sollten, so der Händler, auch im Interesse der Plattform liegen: „Zalando hat selbst als Ziel für 2025 ausgegeben, 30 Mrd. Euro GMV (Gross Merchandise Volume/Value – Bruttowarenvolumen) erreichen zu wollen und 50% davon sollten über das Plattformgeschäft kommen. Jetzt sagt man: Wir müssen die Gebühren erhöhen, um diese Innovationen bezahlen zu können. Wenn Zalando selbst in diese Themen investieren würde, käme man den ausgegebenen Zielen näher und ein höherer GMV bedeutet auch beim bestehenden Kommissionsmodell größere Erträge“, so Höhne. Die nun angekündigte Gebührenerhöhung mit „Incentives“ als Gegenleistung zu euphemisieren, hält der Händler schlicht für „absurd“. Es sei schließlich im Interesse von Zalando, das eigene Angebot auszuweiten und den Händlern Vorteile bzw. Services zur Verfügung zu stellen, damit alle langfristig von dieser Partnerschaft profitieren.
Bislang habe die Geschäftsführung des Schuhhaus Hittcher noch nicht entschieden, wie sie auf das neue Gebührenmodell reagieren will. „Entweder schalten wir einen Großteil unseres Sortiments ab, oder wir werden mit höheren Preisen – über UVP – unsere Artikel online lassen. Da wir laut neuem Gebührenmodell nur noch Bestellungen erhalten, wenn Zalando selbst und anschließend die Partner ausverkauft sind, können wir uns diese Verkäufe auch teurer von den Zalando-Kundinnen und -kunden bezahlen lassen. Ob das im Interesse von Zalando ist? Ich glaube nicht“, so Marcus Höhne.
Von einer „Riesensauerei“ spricht ein Händler, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Das Ganze ist nicht durchdacht. Es wird bei dieser Konstellation nur Verlierer geben“, so der Unternehmer. Derzeit wachse Online nicht, zugleich kaufe Zalando immer weniger ein. Immerhin: „Dadurch ist die Abhängigkeit der Händler nicht mehr ganz so groß.“ Auch sei der Zeitpunkt der Ankündigung fatal: „Man hat die Händler in die Order laufen lassen. Viele haben teils erheblich zusätzlich eingekauft. Es müsste doch in Berlin bekannt sein, dass der Orderzeitraum im Schuhhandel im Januar beginnt.“ Rentabel sei der Verkauf im Bereich Incremental nun wahrscheinlich nur noch ab ca. 160 Euro VK. Es sei daher zu erwarten, dass mehr als 60% der auf Zalando platzierten Artikel deaktiviert werden müssen.
Der Händler fordert mehr Zeit: „Wenn es schon zu einem solchen Gebührenmodell kommt, dann müsste es zumindest mehr Vorlauf für den Handel geben, um sich darauf einzustellen. Wenn die Entscheider von Zalando jetzt Rückgrat haben, wäre es das beste für beide Seiten, wenn die Gebührenerhöhung auf Ende des Jahres verschoben würde und man sich gemeinsam mit Partnern an einen Tisch setzte und schaute, wie beide Seiten mit dem Modell Geld verdienen können. Aktuell verdient Zalando kein Geld, weil die meisten Artikel abgeschaltet werden. Und auch die Händler verdienen kein Geld.“
Ulrich Volk, Schuhhändler aus Elzach, hat eine klare Haltung zum Thema: „Für mich ist die Aktion völlig unverständlich. Jetzt noch auf Zalando Schuhe zu verkaufen, bringt nichts mehr – in keinster Weise. Wir haben unsere Einkaufspolitik bislang so gestaltet, dass wir gerade die Modelle geordert haben, die Zalando selbst nicht eingekauft hat. Zusätzlich zur Order für unser stationäres Angebot haben wir knapp 10% für Zalando eingekauft – bei einer Retourenquote von über 50%.
Eine solche Gebühr anzukündigen, nachdem der Handel schon für die neue Saison geordert hat, ist wirklich krass.“
Für ihn habe Zalando schon immer „auf der Kippe“ gestanden, erklärt Volk: „Bei einem Durchschnittspreis von 110 bis 120 Euro ist der Verkauf oft ein Nullsummenspiel. Völlig unlogisch erscheint mir außerdem, dass Zalando immer weniger selbst einkauft. Das bedeutet ja eigentlich für den angebundenen Handel die Chance, über eigens georderte Schuhe das Angebot von Zalando zu ergänzen und damit Geld zu verdienen. Jetzt aber entzieht man dem Handel die wirtschaftliche Grundlage.“
Vor dem Hintergrund der Connected Retail-Offensive während der Pandemie findet Ulrich Volk den jetzigen Vorstoß von Zalando empörend: „In der Corona-Pandemie hat sich Zalando noch als Partner inszeniert und den Handel mit dem Verzicht auf Gebühren gelockt. Dann wurden die Gebühren eingeführt, weshalb wir Schuhe nur noch ab VK 99 dort anbieten konnten. Und jetzt dieser Schritt? Wir werden unter diesen Umständen nicht mehr über Zalando verkaufen. Stattdessen werden wir die Ware über andere Marktplätze anbieten. Es gibt durchaus Möglichkeiten, die rentabler sind.“
Marc Schreiber, Schuhhändler aus Soest, positioniert sich klar gegen das Vorhaben des Onlinehändlers. „Wir haben im vergangenen Jahr über Zalando relativ viele Schuhe verkauft. Am Ende des Jahres haben wir uns die Zahlen angeschaut und festgestellt: Das hat uns sehr viel Geld gekostet. Daher haben wir unser Engagement bei Zalando zu Beginn dieses Jahres schon zurückgefahren und uns auf den Verkauf von höherpreisigen Schuhen dort konzentriert.
Mich hat schon das neue Abrechnungsmodell geärgert, das Zalando im Herbst letzten Jahres angekündigt hatte. Denn es bedeutete, dass sich das Unternehmen selbst einen 14-tägigen Kredit einräumt und ich, wenn ich eine frühere Auszahlung wünsche, dafür zahlen muss.
Jetzt das neue Gebührenmodell – das macht für uns die Arbeit mit Zalando schlicht unrentabel. Dabei hatte doch Zalando angekündigt, in einigen Jahren 50% seiner Umsätze über Marktplätze generieren zu wollen. Außerdem: Im angekündigten Gebührenmodell ist immer von Umsätzen die Rede. Mir als Händler bringen Umsätze aber nichts. Was ich brauche, ist Rentabilität. Was wir daher mit Zalando machen werden, ist: Abschalten.“
Zu den Gründen des Onlinehändlers gibt es viele Mutmaßungen. Etliche Händler glauben, dass es Zalando vor allem um die eigene Wirtschaftlichkeit geht. Diese Einschätzung wird auch durch die jüngst von Zalando angekündigten Entlassungen bestärkt. Auch das mögliche Vorhaben, höherpreisige Schuhe künftig selbst anbieten und sich von kleineren Händlern trennen zu wollen, werden diskutiert. Marcus Höhne sieht vor allem die derzeit schwierige Situation im Onlinehandel als ursächlich an: „Bei fast allen Marktplätzen rumort es aktuell. Die Storys des massiven Wachstums sind vorbei und auf einmal müssen auch Marktplätze Gewinne erwirtschaften. Bei allem Verständnis dafür ist auch die Lage im Handel äußerst anspruchsvoll.“
Ein Händler, der anonym bleiben möchte, äußert die Vermutung, dass Zalando mit dem neuen Gebührenmodell vor allem Händler aussieben wolle, die möglicherweise nicht gut und schnell genug performen. „Ich glaube, das Ziel ist, das System zu bereinigen, die Zahl der angebundenen Händler zu verringern und nur noch mit größeren Partnern zusammen zu arbeiten“, so der Händler.
Headerfoto: Das Zalando-Headquarter in Berlin (Foto: Zalando)
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