Großes Kino. Der diesjährige Prime Day des Online-Riesen Amazon war ein globales Shopping-Event. Sowohl im Vorfeld als auch im Laufe der 36-stündigen Rabattschlacht wurde die Aktion medial intensiv befeuert. Es hat sich gelohnt. Mit mehr als 100 Mio. verkauften Artikeln weltweit war der Prime Day erfolgreicher denn je. Und das trotz eines Rumpel-Starts. So war die Homepage des E-Commerce- Unternehmens zeitweilig in den USA und auch in Deutschland nur eingeschränkt erreichbar. Zugleich hakte die Anzeige der richtigen Preise. Aus Sicht von Amazon, wo Kundennutzen und -zufriedenheit oberste Priorität genießen, unschöne Begleiterscheinungen, an denen gearbeitet werden muss. Letztlich taten auch diese Probleme dem Ansturm jedoch keinen Abbruch. So wurden allein in Deutschland mehr als 1 Mio. Artikel aus der Kategorie Mode und Schuhe bestellt. Umsatz, der an anderer Stelle in der Kasse fehlt.
Für Amazon fast noch wichtiger als die Umsätze in Milliardenhöhe waren allerdings die vielen Neukunden, die sich für das Prime-Programm angemeldet haben. So konnte das Unternehmen mehr neue Prime-Mitglieder als an jedem anderen Tag überhaupt für sich gewinnen. Diese Kundenbindung ist das, was über den Prime Day hinaus zählt. Schließlich garantieren die Abonnenten weitere Umsätze in den folgenden Monaten und Jahren. Im deutschen Einzelhandel werden die Aktivitäten von Amazon zunehmend achselzuckend hingenommen. Man hat sich scheinbar mit dem übermächtigen Mitbewerber arrangiert. ’Kooperation statt Konfrontation‘ lautet das Motto. Neue Spannung könnte allerdings im nächsten Jahr aufkommen. So hat der chinesische Online-Gigant JD.com seinen Willen zum Markteintritt in Europa und speziell Deutschland kürzlich bekräftigt. Aktuell wird bereits kräftig an einem Logistiknetzwerk gebaut. Damit der Markteintritt jedoch mit einem ’big bang‘ gelingt, spekulieren Experten über eine bevorstehende Übernahme eines etablierten Players. Insbesondere die Kategorie Fashion steht dabei im Fokus, da Amazon hier noch eingeholt werden kann. „Wenn wir eine gute Chance sehen, dann nutzen wir sie,“ so die lässige Antwort des JD.com-Chefs Richard Liu.
Für den stationären Fachhandel sind diese Dimensionen weit weg. Scheinbar. So lohnt es, die Entwicklungen im Blick zu haben. Denn letztlich buhlen doch alle Händler – ob on- oder offline – um die gleichen begrenzten Budgets der Kundinnen und Kunden.