Es sei noch zu früh, um anhand der gemeldeten Neuinfektionen beurteilen zu können, ob sich die bereits vollzogenen Öffnungsmaßnahmen trotz der Hygieneauflagen verstärkend auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt haben, heißt es in einem Papier zur Telefonschaltkonferenz von Bundesregierung und Ministerpräsidenten vom 30. April. Die Beurteilung und die damit verbundene Entscheidung, ob ein weiterer größerer Öffnungsschritt möglich ist, soll daher am 6. Mai in einer weiteren Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder erfolgen.
Bis dahin bleibt in weiten Teilen alles, wie es ist. Das heißt für den Schuh- und Modehandel: Auf Flächen bis maximal 800 qm darf verkauft werden. Was die Öffnung von Gastronomie-Betrieben betrifft, soll ebenfalls frühestens am 6. Mai eine Entscheidung getroffen werden. Großveranstaltungen sind bis mindestens 31. August untersagt.
Flickenteppich in den Bundesländern
Auf Länderebene gibt es allerdings unterschiedliche Auslegungen der Vorgaben für den Handel. Für Warenhauskonzerne und Einzelhändler mit großen Flächen ergeben sich je nach Bundesland teilweise abweichende Bedingungen. Verschiedene Gerichte hatten sich in der vergangenen Woche mit Eilanträgen beschäftigt, die zum Ziel hatten, die Flächenbegrenzung von 800 qm zu kippen. Es kam zu unterschiedlichen Urteilen.
So scheiterte in Nordrhein-Westfalen Galeria Karstadt Kaufhof mit einem entsprechenden Antrag. In Berlin indes dürfen die Standorte des Warenhauskonzerns nun auf ganzer Fläche öffnen, auch das KaDeWe, wie das Verwaltungsgericht Berlin entschieden hatte. Ein Gerichtssprecher erklärte, das Verbot für die Öffnung größerer Verkaufsflächen gelte vorerst nicht „für ein großes Berliner Kaufhaus“. Kritisiert wurde von den Richtern, dass Einkaufscenter ganz öffnen dürfen, weil die Regelung hier für jedes einzelne Geschäft gilt.
In Baden-Württemberg erklärte der Verwaltungsgerichtshof, dass die geltenden Regelungen zur Beschränkung von Verkaufsflächen den Handel mit Kraftfahrzeugen, Fahrrädern und Büchern bevorzuge. Ab dem 4. Mai dürfen Geschäfte in dem Bundesland auch jenseits der 800 qm Fläche öffnen. In Hamburg sieht das Oberverwaltungsgericht die Flächenbegrenzung indes als rechtens an, weil auf diese Weise die Ausbreitung der Corona-Epidemie eingedämmt werden könne.
Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshofs erklärt hatte, die 800 qm-Regelung sei verfassungswidrig, hatte die Landesregierung in Bayern eine Teilöffnung für größere Flächen erlaubt. Das Bundesverfassungsgericht lehnte einen ersten Eilantrag gegen die Begrenzung der Verkaufsfläche wegen der Corona-Pandemie ab. Angesichts der Gefahren für Leib und Leben müssten die wirtschaftlichen Interessen großer Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser derzeit zurücktreten, entschieden die Karlsruher Richter laut einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Ein bayerisches Modehaus hatte gegen die aktuell geltende Verordnung geklagt. Aus Karlsruhe hieß es indes, die Klage müsse eingehend geprüft werden und sei nicht völlig aussichtslos.
In Mecklenburg-Vorpommern dürfen seit dem 2. Mai alle Geschäfte wieder öffnen und die gesamte Verkaufsfläche nutzen. In Rheinland-Pfalz dürfen vom 4. Mai an alle Geschäfte wieder öffnen. Ministerpräsidentin Dreyer erklärte in Mainz, dies gelte unabhängig von Größe und Sortiment der Läden. Schleswig-Holstein gab am Wochenende bekannt, dass die Begrenzung von Verkaufsflächen auf 800 qm ab dem 9. Mai außer Kraft gesetzt werden soll. Bereits ab dem 4. Mai gilt die Regelung, wie am Wochenende bekannt wurde, nicht mehr im Saarland: Dann dürfen in dem Bundesland Geschäfte unabhängig von ihrer Verkaufsfläche öffnen. Gleiches gilt für Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Kanzleramtschef Helge Braun zeigte sich kritisch hinsichtlich der diversen – auch gegensätzlichen – Urteile. „Ich empfinde es schon als Herausforderung, wenn sich Gerichte auf den Gleichheitsgrundsatz berufen, um einzelne unserer Maßnahmen aufzuheben oder zu modifizieren”, sagte der Politiker gemäß dem Onlineportal ntv. Beim Öffnen des Alltagslebens könne es nicht immer eine absolute Gleichberechtig aller gesellschaftlichen Bereiche geben, so Braun, „weil unser Vorgehen eben schrittweise ist.“