Welche Folgen hat der Krieg in der Ukraine für Ihr Unternehmen?
Alenka Klarica: Wir haben nur sehr geringe direkte Auswirkungen auf die beiden Märkte Ukraine und Russland, da wir dort nur ein relativ kleines Geschäft hatten. Aber die indirekten Folgen sind natürlich sowohl für die Verbraucher als auch für die Unternehmen überall enorm. Das Konsumklima hat sich eingetrübt, das Einkaufsverhalten der Verbraucher ist zurückhaltender als in den Jahren davor. Und das wirkt sich natürlich auf den Absatz aus. Glücklicherweise machen wir mehr als 60% unseres Geschäfts mit Kinderschuhen – und die Nachfrage nach Kinderschuhen ist weniger stark betroffen als der Bereich Damenschuhe. Am stärksten betroffen von der allgemein rückläufigen Entwicklung sind aktuell Herrenschuhe, die allerdings nur einen geringen Anteil unseres Umsatzes ausmachen. Wir sehen auch, dass der Krieg die weltweiten Energiekosten verändert, zu einer massiven weltweiten Nahrungsmittelknappheit führt und zu einem massiven Anstieg der Inflationsrate auf globaler Ebene beiträgt. Für uns als Unternehmen bedeutet dies höhere Kosten in unserer gesamten Lieferkette, von den Rohstoffen bis zur Logistik.
Aber trotz aller Herausforderungen durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine plant Legero United in diesem Jahr den höchsten Umsatz in der Unternehmensgeschichte: Wir planen, unseren Vorjahresumsatz von 180 Mio. Euro 2022 deutlich zu steigern. Wir werden über 6,6 Mio. Paar Schuhe verkaufen. Wir sind stolz auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in einer so herausfordernden Marktsituation eine solche Leistung vollbringen.
Inwieweit werden sich die höheren Kosten auf Ihre Preise auswirken?
Alenka Klarica: Wir können nicht alle Kosten kompensieren. Ein Teil wird weitergegeben werden müssen, an den Handel und auch an die Verbraucher. Dieses Thema wird gerade mit Blick auf Kinderschuhe in der Branche diskutiert: Wenn ein Paar Kinderschuhe mehr als 100 Euro kostet, stellt das Familien vor Herausforderungen.
Kristin Käpplinger: Wir bleiben dabei, dass Qualität und Passform für uns oberste Priorität haben. Unsere Kinderschuhe haben viel zu bieten, von den besten Komponenten bis hin zur Ausstattung mit Goretex und Boa-Verschluss. Wir wollen so weit wie möglich bei unserer Preispositionierung bleiben. Allerdings werden die makroökonomischen Umstände an einigen Stellen gegebenenfalls Preisanpassungen notwendig machen. Wir sind aktuell in den Preisverhandlungen und werden in wenigen Wochen unsere Preise festlegen. Parallel versuchen wir, wo möglich, Einsparungen vorzunehmen – ohne bei der Qualität Zugeständnisse zu machen.
Was sehen Sie heute als Ihre wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen an?
Alenka Klarica: Die Fähigkeit, Kunden- und Markttrends genau zu beobachten und die eigene Strategie entsprechend anzupassen, ist von entscheidender Bedeutung. Aber in so volatilen Zeiten auch eine große Herausforderung. Die Kosten niedrig zu halten, ist eine weitere wesentliche Aufgabe und eine große Herausforderung.
Und, heute ganz besonders wichtig: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen. Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten zehn Jahren und insbesondere während der Pandemie verändert. Der Markt ist sehr dynamisch: es ist für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktuell einfach, eine neue Stelle zu finden. Jüngere Generationen messen der Arbeit auch eine andere Bedeutung bei und verlangen mehr Work-Life-Balance und Flexibilität. Sie suchen und bleiben bei Arbeitgebern, die ihnen zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten bieten.
Wo werden Schuhe von Legero und Superfit produziert? Denken Sie angesichts der Verwerfungen in den internationalen Lieferketten über Nearshoring nach – also mehr Produktion bzw. die vollständige Produktion in Europa?
Kristin Käpplinger: Wir produzieren selbst in Europa, in Rumänien und in Indien. Wir nutzen eine Mischung aus europäischen und asiatischen Lieferanten mit hohen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards für den ausgelagerten Teil unseres Geschäfts. Da Nachhaltigkeit ein Kernpunkt unserer Strategie ist und wir bis 2030 ein CO2-neutrales Unternehmen sein wollen, überprüfen wir aktuell unsere Beschaffungsstrategie mit dem Ziel, die Kapazitäten in unseren eigenen Fabrik in Europa zu erhöhen.
Welche Entwicklung erwarten Sie im Bereich Online-Handel für die kommenden Jahre? Und welche Rolle spielt dabei der (stationäre) Einzelhandel?
Alenka Klarica: Wir gehen davon aus, dass der Online-Anteil des Schuhhandels schneller wachsen wird als der Einzelhandel. Der Einzelhandel ist jedoch der wichtigste Vertriebskanal für unser Unternehmen und wird dies auch in den kommenden Jahren bleiben. Wir planen, unsere Einzelhandelspartner weiterhin zu unterstützen, in unsere Marken und unsere Präsenz am POS zu investieren. Der Point of Sale im stationären Handel bleibt ein wichtiger Berührungspunkt für unsere Verbraucher: Er adressiert das Bedürfnis der Konsumentin nach einem Shoppingerlebnis, gibt ihr die Möglichkeit, das Produkt zu berühren und zu fühlen, die Marke im Laden zu erfahren.
In welchen Märkten und über welche Produkte kann und will Legero United wachsen?
Alenka Klarica: Unser Ziel ist es, führender Anbieter im Bereich Kinderschuhe und Casual Damenschuhe in Europa zu werden. In der DACH-Region sind wir mit Superfit und Legero bereits am Ziel. Für weiteres Wachstum über die DACH-Region hinaus verfolgen wir einen fokussierten Ansatz: Wir wählen gezielt Märkte aus, in die wir investieren und in denen wir wachsen wollen. Für die kommenden drei Jahre sind das Italien und die nordeuropäischen Märkte.
Wachstum und Nachhaltigkeit – wie lässt sich beides sinnvoll verknüpfen?
Kristin Käpplinger: Das Thema Nachhaltigkeit wird für Verbraucher in allen Branchen und Lebensbereichen immer wichtiger. Es wird daher in Zukunft in vielen Branchen und auch in der Textil- und Schuhindustrie ein wichtiger Wachstumstreiber sein. Unternehmen, die Nachhaltigkeit nicht als Teil ihrer langfristigen Wachstumsstrategien betrachten, werden nicht erfolgreich sein. Ganz im Gegenteil, sie werden es schwer haben, überhaupt zu wachsen.
Wir sehen uns als Hersteller hier in der Verantwortung und legen mit unserer Luna-Nachhaltigkeitsagenda (Legero United Nachhaltigkeitsagenda) einen starken Fokus auf die Nachhaltigkeit unserer Produkte und deren Fertigung. Wir nehmen eine Vorreiterrolle in der Schuhindustrie ein. So wurde beispielsweise Think! schon vor 30 Jahren von Martin Koller, der übrigens bis heute für die Produktentwicklung verantwortlich ist, als Marke für nachhaltige Schuhe gegründet. Bereits 2013 haben wir für unsere Marken Superfit und Legero die firmeneigene Entwicklungsplattform für nachhaltige Schuhproduktion, Vios, ins Leben gerufen. Vios beschäftigt sich ganzheitlich und wissenschaftlich mit dem Thema Nachhaltigkeit. Dazu haben wir mit der Vios Restricted Substance List einen eigenen Standard geschaffen: Er stellt deutlich höhere Anforderungen als die gesetzlichen Vorgaben oder Gütesiegel. Als Unternehmen engagieren wir uns auch in wichtigen Brancheninitiativen. So nehmen wir beispielsweise am HIGG-Index teil, der die Nachhaltigkeit unserer Produkte entlang der gesamten Lieferkette bewertet und uns Hinweise für weitere wichtige Maßnahmen gibt, mit denen wir als Unternehmen insgesamt nachhaltiger werden können. Außerdem haben wir uns verpflichtet, an der Science Based Targets Initiative teilzunehmen und unsere Standorte sukzessive einer EMAS-Zertifizierung zu unterziehen. Wir sind außerdem Mitglied bei Cads und arbeiten bevorzugt mit Lederlieferanten zusammen, die von der Leather Working Group LWG zertifiziert sind.
Kristin Käpplinger: Über das digitale Design werden wir mittelfristig in der Lage sein, für jedes Material, jede Komponente und jedes Produkt den CO2-Fußabdruck zu messen. Sobald die Werte aller Materialien in unserer Datenbank hinterlegt sind, können wir sofort darauf zugreifen und den CO2-Fußabdruck bei Bedarf reduzieren. Dabei sind wir auch auf die Unterstützung von unseren Lieferanten angewiesen. Nicht alle können das Material so anbieten, dass wir damit wettbewerbsfähig sind.
Wie lautet Ihre Strategie für die kommenden fünf Jahre?
Alenka Klarica: In herausfordernden Zeiten ist es wichtig, flexibel zu bleiben, seine Unternehmensstrategien entsprechend anzupassen und neue Chancen zu nutzen. Der Gedanke, unsere ehrgeizigen Ziele möglichst rasch umzusetzen, ist zwar verlockend, aber wir müssen immer auch agil auf unerwartete Veränderungen im Markt reagieren können, um unser 150-jähriges Unternehmen stabil und solide in die Zukunft zu führen.
Wie definieren Sie Partnerschaft mit dem Handel?
Alenka Klarica: Wir definieren es genau so – als eine Partnerschaft! Wir brauchen unsere Handelspartner und wir glauben, dass sie uns brauchen. Wir unterstützen sie dabei, mehr Kunden in ihre Läden zu bringen, indem wir ihnen hochwertige bekannte Marken, Schulungen und Marketingunterstützung für den Verkauf unserer Marken anbieten. Und sie unterstützen uns, indem sie unsere Marken anbieten, dazu beitragen, sie bekannt zu machen und unsere Verbraucher beraten. Der Einzelhandel ist der wichtigste Vertriebskanal für uns, und das wird er auch in den kommenden Jahren bleiben. Daher planen wir auch in Zukunft unsere Einzelhandelspartner weiterhin stark zu unterstützen und in unsere Marken zu investieren: Superfit ist eine der führenden Kinderschuhmarken in Europa. Legero entwickelt sich dynamisch. Und Think! wurde kürzlich vom deutschen Textil- und Schuhfachhandel zur Top-Marke in der Kategorie Nachhaltigkeit gewählt.