Lineapelle in Mailand. Es brummt auf dem Messegelände. Aus der ganzen Welt kommen Kreative alle sechs Monate in die italienische Modemetropole, um sich hier einen Überblick über die Trends der kommenden Saisons zu verschaffen. So auch Anfang Oktober. Viele Besucher dürften die Heimreise vor allem mit einer Erkenntnis angetreten haben: Die Lederbranche denkt grün.
Die Messe vor wenigen Wochen war geradezu gepflastert mit Plakaten, auf denen Unternehmen sich als „Green Company“ präsentierten. In einem eigenen Bereich wurden die Möglichkeiten von Recycling in der Lederindustrie aufgezeigt, im Innovation Square widmeten sich viele der Vorträge ebenfalls den Themenkomplexen Umwelt, Konsum und Materialien. Das war auffällig. Passte jedoch in die Zeit. Die Lineapelle reihte sich damit ein in den Reigen der Veranstaltungen der vergangenen Monate, auf denen „grüne Themen“ eine zentrale Rolle spielten.
Der starke Fokus auf Nachhaltigkeit sorgte jedoch auch für Irritationen. „Wir müssen aufpassen, dass Leder nicht seinen guten Ruf verliert“, so Martin Wuttke. Der Trendexperte von Modeurop befürchtet, dass Leder im Sog des aktuellen Nachhaltigkeits-Hypes gegenüber synthetischen Materialien an Boden verliert. Es dürfe in der öffentlichen Wahrnehmung nicht der Eindruck erweckt werden, Leder sei grundsätzlich problematisch, so Wuttke, der zugleich eine gemeinsame Kraftanstrengung forderte. Es bedürfe einer konzertierten Aktion, um rechtzeitig gegenzusteuern. Und in der Tat genießt bereits heute das Attribut „vegan“ in so manchen Kreisen einen besseren Klang als „Leder“.
Für die Branche bedeutet dies, Aufklärungsarbeit zu leisten. Und Transparenz herzustellen. Genau hier besteht jedoch ein Problem für die Schuhbranche. Aufgrund weit verzweigter Lieferketten ist es oftmals sogar für Schuhmarken schwierig nachzuvollziehen, woher die verarbeiteten Leder stammen. Entsprechend schwierig ist die Kommunikation. Letztlich wollen die Kunden aber Antworten auf genau diese Fragen bekommen. Brennt der Regenwald am Amazonas, damit dort Rinder weiden können, deren Häute anschließend zu Leder weiterverarbeitet werden? Ist Chromgerbung zwingend negativ? Welche Zustände herrschen in den Gerbereien in Bangladesh? Diese und ähnliche Themen proaktiv zu bearbeiten und öffentlich für das Material Leder zu werben, wird zu den großen Herausforderungen der kommenden Saisons gehören.