Aufgeben? Weitermachen? Seit Jahren beschäftigt Schuhhändler die Frage nach dem richtigen Umgang mit der Kinderschuhabteilung. War man lange Zeit hoffnungsvoll davon ausgegangen, dass nicht nur Kinder, sondern auch Mütter und Väter – und damit potenzielle Kunden – ins Geschäft kommen, hat sich für viele Händler inzwischen herausgestellt, dass kleine Schuhe viel Arbeit machen und wenig bringen. Im schlimmsten Fall wird gar die Beratung „geklaut“, indem aufwändig der passende Schuh im Geschäft gefunden – und dann ganz schmerzfrei online gekauft wird. Reihenweise wurden in den zurückliegenden Jahren die Kinderschuhabteilungen geschlossen.
Auch auf der Industrieseite ist längst nicht alles Sonnenschein. Während das Segment der Lauflerner weitgehend stabil ist, nimmt spätestens im Grundschulalter die Konkurrenz durch internationale Sportmarken zu. Immer früher werden klassische Kinderschuhe als „uncool“ empfunden. Die Kids wollen NMD oder Air Force 1. Und die gibt es im klassischen Schuhgeschäft nicht. Die Kunden bleiben weg – und kaufen im Sneakerstore. In Zeiten von Corona verdient das Kinderschuhsegment allerdings ein genaues Hinschauen. Denn während der Bedarf an Damen- und Herrenschuhen spätestens mit dem Lockdown am Boden lag, wuchsen die Kinderfüße weiter, Kinderschuhe wurden weiter ramponiert – und Eltern suchten händeringend nach Lösungen.
Mit viel Kreativität, großem Einsatz und sensationellen Ideen reagierten Händler auf die Nachfrage nach Kinderschuhen. Per Whatsapp wurden Modelle vorgestellt, per Fahrrad eine Auswahl zum Anprobieren nach Hause gebracht. Mit Hilfe von aufgemalten Fußumrissen wurde die passende Größe ermittelt, am Telefon beim Vermessen der Füße zuhause assistiert. Verkaufsgespräche wurden mancherorts per Videokonferenz geführt. Alles wurde angeboten und nichts ausgelassen, um passende Kinderschuhe zu verkaufen. Dabei spielte die pure Notwendigkeit eine wichtige Rolle: Schließlich mussten die Händler brutale Umsatzabstürze hinnehmen und waren bei bestem Frühlingswetter zum Start der Saison praktisch handlungsunfähig. Es galt also, wo immer möglich, Umsätze zu generieren. Hinzu kamen aber auch die Freude über ein Stück Normalität und das Gefühl, Kunden wirklich helfen zu können. Viele Händler berichten von großer Dankbarkeit, die ihnen von Müttern und Vätern entgegengebracht wurde, weil der Nachwuchs trotz Lockdown vernünftige Sommerschuhe bekam.
Bei aller Freude über den vielfach guten Lauf in der Kinderschuhabteilung ist auch klar: Dieses Segment kann Verluste an anderer Stelle nicht ausgleichen. Und oft war die Corona-Nachfrage nicht mehr als ein Strohfeuer. Der Kinderschuhbereich bleibt unter Druck. Aber er hat Potenzial und könnte gerade jetzt zu einer unerwarteten Chance werden.