Die Resonanz kam prompt. Der Plan eines Lieferkettengesetzes stecke „in einer Sackgasse“, das Vorhaben sei zudem „zutiefst globalisierungsfeindlich“, so formulierte Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie, seine Meinung in einem Blogbeitrag, der am 14. Juli online ging.
Manfred Junkert, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Schuh- und Lederwarenindustrie, teilt diese Einschätzung. „Die Intention der Politik und aller Beteiligten ist grundsätzlich sicherlich gut. Über das Wie aber kann und muss man streiten.“ Was jetzt geplant sei, stelle die Unternehmen, die angesichts der Corona-Krise ohnehin schon große Herausforderungen zu stemmen haben, vor schier unlösbare Aufgaben. „Unternehmen müssen für Bereiche haften, die kaum mehr erfasst werden können“, so Junkert im Gespräch mit schuhkurier.
„Verfahren der Befragung von Anfang an kritisiert“
Dr. Uwe Mazura kritisiert in seinem Beitrag, dass die beiden Befragungen zur Transparenz in der Lieferkette, die die Unternehmensberatung Ernst & Young im Auftrag der Bundesregierung bei Industrieunternehmen durchgeführt hatte, von Anfang an nicht ergebnisoffen angelegt gewesen seien und somit scheitern mussten. Zudem habe die zweite Befragung mitten in der akuten Corona-Krise stattgefunden. Es gebe keine Zweifel, dass der Plan für das Gesetz bereits vor den Befragungen feststand. Das ganze Verfahren stelle die gesamte deutsche Wirtschaft „unter Generalverdacht“.
Das sieht auch der HDS/L nicht anders. „Wir haben das Verfahren der Befragung von Anfang an kritisiert“, so Manfred Junkert gegenüber schuhkurier. „Es war absehbar, dass es wenig Rückläufe geben würde. Aktuell haben 87% unserer Mitgliedsunternehmen Corona-bedingt Kurzarbeit eingeführt. Es ist nicht verwunderlich, dass man dort andere, dringendere Themen auf der Agenda hat.“ Man habe mehrfach ein Belastungsmoratorium für die Industrie-Unternehmen gefordert. „Corona hat die Situation vieler Unternehmen dramatisch verschärft. Es wäre gut gewesen, Themen wie das Lieferkettengesetz zunächst einmal zurückzustellen“, so Junkert.
„Deutsche Unternehmen werden massiv benachteiligt“
Komme es tatsächlich zum Lieferkettengesetz, ist dessen Durchsetzung aus Sicht der Verbände mit vielen Fragezeichen versehen. Nach den bisher bekannten Eckpunkten für das so genannte „Sorgfaltspflichtengesetz“ müssen Unternehmen für „Beeinträchtigungen haften, die bei Erfüllung der Sorgfaltspflicht vorhersehbar und vermeidbar“ waren. Dies eröffne, so Dr. Uwe Mazura, grundsätzlich die Haftungsreichweite auf alle Zulieferstufen. Damit bestrafe man ausgerechnet diejenigen Unternehmen, die weltweit an der Spitze stehen, wenn es um Sozial- und Umweltstandards geht. „Die deutsche Textil- und Modeindustrie produziert nach weltweit höchsten Umwelt- und Sozialstandards, sie achtet die Menschenrechte und engagiert sich gegen Kinderarbeit. Dafür bürgen viele Marken mit ihrem Namen und investieren viel.“ Sollte das Gesetz tatsächlich verabschiedet werden, „würden deutsche Unternehmen unabhängig von ihrer Größe im internationalen Wettbewerb massiv benachteiligt“, so Mazura weiter. Er fordere die Bundesregierung auf, „die Lieferketten heimischer Unternehmen endlich vorurteilsfrei zu beleuchten.“
Aus Sicht von Manfred Junkert ist zudem völlig unklar, wie Kontrolle und Ahndung erfolgen sollen. „Die deutsche Industrie kann nicht die Rolle der Polizei in den Herstellerländern übernehmen. Muss am Ende vor deutschen Gerichten geklärt werden, wie ein Subunternehmer in Bangladesch das Gesetz einhält? Das ist schwer vorstellbar“, so der HDS/L-Hauptgeschäftsführer. Die Bundesregierung habe keinerlei Einfluss auf die chinesische Regierungsführung, verlange aber von deutschen Unternehmen, in chinesischen Produktionsstätten deutsche Standards durchzusetzen. Die Gesetzeslage in vielen Staaten unterscheide sich gravierend von der deutschen.
Er hoffe, so Junkert weiter im Gespräch mit schuhkurier, dass es bis zur Verabschiedung des Gesetzes noch Raum für einen lösungsorientierten Diskurs gebe. Sobald das für Ende August angekündigte Eckpunktepapier vorliege, werde man dieses prüfen und seine Position einbringen. „Wir wollen inhaltlich konstruktiv an diesem Prozess mitwirken und die Politik mobilisieren, wo wir können“, so Junkert – mit dem Ziel, das Gesetzesvorhaben in eine machbare und realistische Form zu bringen.