Was hat Corona mit der Männermode gemacht?
Am Anfang hat die Krise die schon vorher spürbare Casualisierung extrem vorangetrieben. Alle sind gefühlt nur noch in Tracksuits herumgelaufen und keiner hatte mehr Lust, sich richtig anzuziehen – bis der Respekt vor dem eigenen Spiegelbild wieder wichtiger wurde. Jetzt merken wir, dass es wieder angezogener wird. Man hat wieder mehr Lust sich schön zu kleiden. Auf den Komfort, den man in der Corona-Zeit im Lieblingspulli gespürt hat, möchte man allerdings nicht verzichten, sondern ihn weiter erleben: im Hemd, im Sakko und im Anzug. Das wirkt sich auf die Kollektionsarbeit der Hersteller aus: Früher gab es hier und da noch 100% Wollstoffe. Das interessiert heute keinen mehr. Es geht um Komfort, Komfort und Komfort.
Was bedeutet das für Schnitte und Silhouetten?
Die Silhouette wird bequemer. Hosen und Sakkos werden weiter, die Revers werden breiter. Vorher musste alles „slim“ sein. Wenn man das philosophisch betrachten möchte, kann man schlussfolgern, dass sich der Mann nach Corona wieder nach mehr Freiraum und Spielraum sehnt und daher offener ist für weite Silhouetten. Und er wird experimentierfreudiger. Das merken wir sehr deutlich. Gerade nach Corona ist dieses typische Bild aus dunkelblauem Anzug und weißem Slim-Fit-Hemd aufgebrochen. Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch in der DOB.
Auf der Schuhmesse Micam in Mailand war ebenfalls deutlich spürbar, dass die Schuhmode einerseits schicker wird, andererseits aber komfortabel bleiben soll. Welche Anforderungen bringt das für Ihre Marke mit sich?
Es gibt extreme Anforderungen, auf die wir Antworten finden müssen. Wir haben es dabei nicht nur mit dem Thema Komfort zu tun, sondern auch mit dem Thema Nachhaltigkeit. Das heißt, wir beschäftigen uns beispielsweise mit der Frage, wie wir Wolle so gesponnen bekommen, dass sie einen natürlichen Stretcheffekt hat. Und wenn wir doch Elasthan verarbeiten müssen, kommt es darauf an, dass es wirklich recycelte Garne sind. Auch im Stoff-Sourcing verfolgen wir heute ganz andere Ansätze. Unsere Lieferanten in die Richtung zu bewegen, in die wir wollen, das ist herausfordernd. Wichtig ist aber festzuhalten, dass dies kein neuer Trend ist. Corona hat eigentlich nichts neu gemacht – die Krise hat viele Entwicklungen nur beschleunigt.