schuhkurier: Pedag mit neuem Auftritt: Das Logo erscheint filigraner, das Verpackungsdesign aufgeräumter. Was waren Ihre Beweggründe für den Relaunch?
Thomas Timm: Ursprünglich war der Relaunch früher geplant. Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht bzw. die Prioritäten anders gesetzt. Wir haben erst einmal in den Überlebensmodus umgeschaltet und alle Ideen wie etwa den Markenrelaunch auf Eis gelegt. Und wir haben alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um unser Geschäft weiterzuentwickeln, sprich unsere Produkte zu verkaufen, um unsere Produktionsarbeitsplätze zu sichern. Dann wechselten wir aus dem Überlebens- in den Aktivitätsmodus und haben intern einiges bewegt. Aber erst als sich nach Corona die Situation wieder einigermaßen normalisiert hatte und klar war, dass die meisten unserer Kunden weiterhin im Markt sind, haben wir entschieden: Jetzt werden wir in unseren Neuauftritt investieren. Und ich bin froh, dass das nun nicht mehr nur die alten Hasen tun, sondern wir mit Christian und Lisa Seiffert auch zwei Neuzugänge im Führungsteam haben.
Wie stellt sich die Unternehmensleitung jetzt auf?
Thomas Timm: Unser bisheriges Team besteht aus Tilo Bürger und mir als Geschäftsführer sowie Ines Bürger als Verkaufsleiterin und Prokuristin und meiner Frau Sabine als Prokuristin. Lisa ist die Tochter der Bürgers und seit vergangenem Jahr gemeinsam mit ihrem Mann Christian an Bord.
Frau Seiffert, welche Aufgaben übernehmen Sie und Ihr Mann im Führungsteam?
Lisa Seiffert: Ich war in meiner früheren Tätigkeit im Projektmanagement aktiv und habe mit meinem Start bei Pedag den Relaunch als Projekt geleitet. Darüber hinaus habe ich Verantwortung für den Bereich E-Commerce übernommen, sowohl im Hinblick auf unseren eigenen Webshop als auch bezüglich der weiteren Vertriebskanäle, die wir analysieren und die wir zum Teil gemeinsam mit Partnern führen. Christian hat den Fokus auf der Produktion und Produktentwicklung. Zusätzlich kümmert er sich um unser QM-System.
Wann war Ihnen klar, dass Sie im Familienunternehmen Pedag Verantwortung übernehmen würden?
Lisa Seiffert: Constantin, der Sohn von Thomas, und ich sind hier im Unternehmen aufgewachsen. Wir waren als Kinder oft in der Produktion. Viele Mitarbeitende sind schon länger hier beschäftigt als ich auf der Welt bin. Manche Themen habe ich auch zuhause beim Abendessen mitbekommen. So war es eine Selbstverständlichkeit, mich dessen irgendwann anzunehmen. Ich bin froh, dass mein Mann Christian das ebenso sieht. Ich empfinde es als großes Glück, gemeinsam mit den Menschen, die hier arbeiten, dem Unternehmen und der Marke eine Zukunft zu geben.
Wie haben Sie den schon erwähnten Überlebensmodus zu Beginn der Corona-Pandemie gestaltet?
Thomas Timm: In den Lockdowns haben wir den Kontakt zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern gesucht. Schon vor der Pandemie haben wir einen eigenen Webshop zur Marktrecherche gestartet. Wir wollten herausfinden, wonach die Menschen suchen. Und wir haben schnell festgestellt, dass die Endverbraucher bei uns Produkte nachfragen, die der Handel nicht ins Sortiment aufnimmt mit dem Argument, danach frage kein Kunde. Für Ines Bürger, die langjährige Verkaufsleiterin, und mich war es wichtig, zu verstehen, was die Endverbraucher bewegt, und viele dieser Aspekte sind auch in den Relaunch eingeflossen, etwa die seitliche Darstellung der Produkte. Das sind kleine Dinge, die beim Verständnis helfen.
Wie sind Sie bei Ihrem Relaunch vorgegangen?
Thomas Timm: Wir haben erst einmal intern gearbeitet. Unser Marketing-Team ist klein, aber sehr kompetent. Es gab viele Briefings und intensive Diskussionen mit unterschiedlichen Entwicklungslinien, welche wir dann immer weiter verdichtet haben. Die Gruppendynamik war toll und wir haben an vielen Details gefeilt. Eine Vorgabe war, die vorherige Denke in Vertriebsschienen abzulegen. Denn dies hatte Auswirkungen auf unser Verpackungsdesign, welches sich je nach Segment – Fashion, Sport etc. – unterschieden hat. Wir haben uns gefragt: Wenn Pedag mal in Schwarz, mal in Grau und mal in Türkis auftritt, wie können die Leute es als eine Marke erkennen? Also war unsere Idee: Lasst uns eine Verpackung finden, die wie ein Chamäleon ist: neutral im Hinblick auf die Vertriebskanäle, auf das Wesentliche reduziert und wertig. Früher war auf den Verpackungen die Vor- und Rückseite der Sohlen zu sehen, aber nicht die Seitenansicht. Diese haben wir ergänzt. So sieht der Verbraucher gleich das Volumen der Sohle und die Schichten, aus denen sie besteht. Hinzu kam eine Fotoleiste mit sinnlich-emotionalen Motiven, die auch das Haptische darstellen. Beim Relaunch der Pflegeprodukte haben wir eine Agentur hinzugezogen. Dabei war uns wichtig, dass auch hier die Darstellung klar und reduziert ist. Zugleich mussten wir berücksichtigen, dass es eine demografische Entwicklung gibt. Der Handel wird immer mehr Probleme haben, Verkaufspersonal zu finden. Es wird noch mehr Fluktuation geben. Die Verbraucher müssen sich manches also selbst erschließen. Da sind zu viele Informationen auf einer Verpackung kontraproduktiv. Einige Verbraucherinnen und Verbraucher haben uns signalisiert, dass manche Themen nicht verständlich genug dargestellt sind.
Wie lange hat der Verdichtungsprozess gedauert?
Lisa Seiffert: Wir haben viele Vorüberlegungen angestellt. Die richtig intensive Arbeit dauerte dann eineinhalb Jahre. Es war uns wichtig, alles in Ruhe zu überdenken und keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen. Und das Ziel war nicht, ein neues Pedag für die nächsten fünf Jahre zu entwickeln, sondern einen Auftritt, hinter dem wir alle langfristig stehen.
Gibt es im Zuge des Relaunchs auch neue Produkte?
Thomas Timm: Wir haben einen neuen Reiniger für Sneakersohlen und -obermaterialien entwickelt, den wir im Set mit einer Bürste anbieten. Es gab auch vorher schon Reiniger, aber für das intensive Säubern wollten wir ein neues Produkt auf den Markt bringen, übrigens biologisch abbaubar. Unsere Sneaker-Produkte sind in dynamischem Orange gehalten. Wir richten diese Produktgruppe ausdrücklich auch an Textiliten, die ein kleines Sneaker-Sortiment führen. Sie brauchen nicht unbedingt eine große Palette an Schuhpflegeprodukten, sondern eher die kleine, feine Pedag Orange-Linie.
Beinhaltet der Relaunch ein neues Verpackungsdesign oder auch ein neues Image?
Thomas Timm: Ich freue mich sehr darüber, dass es uns gemeinsam gelungen ist, Pedag in einem neuen, modernen Licht darzustellen. Meine persönliche Auffassung ist, dass Pedag von den Werten her immer moderner und vitaler war als es das Design wiedergab. Wir haben gespiegelt bekommen, dass unser Markenauftritt etwas in die Jahre gekommen war. Das hat uns natürlich sehr getroffen. Aber wir konnten es nachvollziehen. Unser altes Logo war ein hochmodernes Design der Siebziger-Jahre. Es war typisch für die Zeit, aber statisch und schwer. Das ist aber nicht Pedag. Wir sind die Marke für Mobilität! Wir helfen Menschen, fußgesund zu laufen, sich leichter, ausdauernder und beschwerdefrei zu bewegen. Beim Relaunch gab es verschiedene Themen und Ziele, aber uns allen war klar: Jetzt müssen wir das Logo anpacken. Es geht aber nicht nur um Design und Emotion. Hard Facts schufen wir beim Reduzieren des CO2-Footprints: bei Produkten, Verpackungen und durch selbst erzeugte, grüne Elektrizität für Produktion, die Büros und – soweit sinnvoll – für die Fahrzeugflotte.
Der Schuhmarkt leidet unter erheblichen Verwerfungen. Das lässt auch die Furniturenanbieter nicht unberührt. Wie gehen Sie damit um?
Thomas Timm: Was mich antreibt und meinen Optimismus sehr stark nährt, ist, dass die Endverbraucher Pedag-Produkte wollen, weil sie sie als nützlich empfinden und sich damit wohler fühlen. Unsere Produkte gehen durch unsere Manufaktur. Wir setzen Naturmaterialien ein, weil sie für ein angenehmes Klima im Schuh sorgen. Es gibt synthetische Materialien mit hervorragenden Eigenschaften. Diese setzen wir beispielsweise im Sportbereich ein. Aber bei allen anderen Produkten setzen wir auf Naturmaterialien. Wir sehen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher begeistert sind und Pedag lieben. Wir bekommen viel Feedback von Verbrauchern aus dem In- und Ausland. Lisa hat bei uns das Kundenfeedback der Woche eingeführt: Dabei hängen wir Rückmeldungen von Verbrauchern bei uns im Unternehmen aus. Es tut dem Team gut, zu lesen, wie zufrieden die Menschen mit unseren Produkten sind – besonders die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion macht das einmal mehr stolz auf ihre Arbeitsergebnisse.
Sie haben den Kontakt zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern intensiviert. Viele Anbieter nutzen Social Media-Kanäle, um in den Dialog mit den Konsumenten zu treten – auch weil sie glauben, dass der Handel hier Potenzial ungenutzt lasse. Ist das auch für Sie eine Option?
Thomas Timm: Das muss man differenziert sehen. Ich würde nicht pauschal sagen, dass der Handel dazu nicht in der Lage ist, unsere Produkte zu verkaufen. Wir haben Kunden im Handel, die das sehr gut können und sehr hohe Furnituren-Anteile haben – und zwar ohne dass Verbraucher das Gefühl haben, man zwinge ihnen etwas auf, da sie einfach spüren, wie wohltuend die Produkte für sie sind. Man muss aber als Hersteller und Markeninhaber helfen, zu kommunizieren. Endverbraucher informieren sich über alle Kanäle, am POS, aber auch online. Gerade die jüngere Generation googelt und landet dann auf Youtube. Dieses Thema steht bei uns auch an. Wir haben Videos von unseren Produkten online. Es wird das nächste Kapitel sein, dass wir den Verbrauchern auch praktische Zusatzinformationen bieten.
Wo sehen Sie im sehr unter Druck stehenden Markt Wachstumspotenzial für Ihr Unternehmen?
Thomas Timm: Es gibt verschiedene Ansätze. Viele Händler arbeiten noch nicht mit Pedag. Das ist immer noch ein großes Feld. Zudem gibt es Exportmärkte, in denen wir uns noch entwickeln können. Das ist auch ein Grund für den Relaunch. Wir müssen die Marke äußerlich so attraktiv machen, wie sie es von den inneren Werten her schon ist. Wir wollen attraktiv werden für neue und auch für jüngere Kunden. Klar, die Anzahl der Verkaufspunkte schrumpft. Umso wichtiger ist es, denjenigen, die im Markt bleiben, die Möglichkeit zu geben, mit unserer Produktgruppe Geld zu verdienen. Dazu muss der Handel auf Volumen kommen – und dabei wiederum wollen wir ihn unterstützen. Der Verpackungs-Relaunch ist für uns einer von mehreren Schritten. So wollen wir uns bei allen im Markt vorstellen und Interesse wecken, Pedag einfach mal auszuprobieren. Wichtig ist, dem Verbraucher einen spürbaren Mehrwert zu bieten. Jedes unserer Produkte bietet diesen Mehrwert. Sie sind alle Problemlöser.
Lisa Seiffert: Sie sind Wohlfühlmacher. So sehe ich unsere Produkte. Sie sorgen für Wohlgefühl.
Thomas Timm: Den Handel sehen wir uns als Partner für verkaufsstarke Konzepte, fokussiert auf Premium-Lösungen. Deshalb beteiligen wir uns nicht an ruinösen Rabatttreibereien, die Produkte und Menschen abwerten. Wir produzieren in Deutschland und wollen unsere Beschäftigten angemessen bezahlen. Ich sehe das ganzheitlich: Unsere Mitarbeiter verdienen ihre Brötchen hier im Werk und geben in Berlin und Brandenburg im Schuhfachhandel ihr Geld aus. So wird eine Win-Win-Situation draus. Hartmut Schelchen und mir wurde nach dem Fall der Mauer 1989 rasch klar, dass wir bei der Dynamik nicht weiterhin im Zentrum Berlins produzieren können. Es stellte sich die Frage: Bauen wir das neue Werk in Polen oder in Deutschland? Für uns war Konsens: Wir wollen, dass unsere Kunden im Handel ihre Schuhe hier verkaufen können. Dann müssen wir hier Arbeitsplätze schaffen. Es ist unsere Pflicht, Arbeitsplätze so rationell zu organisieren, dass hier Steuereinnahmen zustande kommen und Kaufkraft generiert wird. Den Schritt, 1993 nach Königs Wusterhausen zu ziehen, sehe ich auch heute noch als absolut richtig an. Uns ist klar: Wir bekommen nicht jeden Kunden. Aber wir wollen auch nicht jeden Kunden. Alle Marktteilnehmer müssen ihre Kosten decken und profitabel wirtschaften. Wenn das ausbalanciert ist, kann das ganze Geschäft sehr viel Spaß machen. Wir sind nicht die Größten im Furniturensektor, aber wir spüren in den letzten zwei Jahren wieder den Aufwärtstrend.
Kommen wir noch einmal zum Generationswechsel. Wie sieht Ihr weiterer Fahrplan aus?
Thomas Timm: Meine Frau und ich sind seit Oktober 2022 nicht mehr Mehrheitsgesellschafter. Wir haben unsere Anteile reduziert. Im März nächsten Jahres werde ich 65 und meine operative Tätigkeit als Geschäftsführer beenden. Tilo ist zehn Jahre jünger als ich und gemeinsam mit mir Geschäftsführer. Ich betrachte das als eine kluge Reihung. Und ich stehe als Gesellschafter gern mit Rat und Tat zur Seite. Wie die operative Gestaltung zwischen den vier aktiven Gesellschaftern ab kommendem Jahr konkret aussehen wird, werden wir gemeinsam in Ruhe entscheiden.