Ein Paar betritt das Schuhgeschäft. Die Dame sucht nach einem neuen Modell für den Übergang. Eine Ballerina kommt in die engere Auswahl. Die Verkäuferin müht sich, erklärt, berät. Ein in jeder Hinsicht passender Schuh wird gefunden. Da zückt der begleitende Mann sein Handy, recherchiert eine Weile und sagt dann: „Schatz, den Schuh brauchst Du hier gar nicht zu kaufen. Den bekommen wir im Internet für 15 Euro weniger.“ Sprach’s, hakte die Dame unter und ließ grußlos die verblüffte Verkäuferin stehen, der dann nur noch blieb, die vielen aus dem Lager geholten Schuhe wieder zusammenzusammeln und zurück zu bringen.
„Es ist erschreckend“, klagte eine Händlerin vor Kurzem im Gespräch mit unserer Redaktion, nachdem Sie dieses Erlebnis geschildert hatte. „Dass die Verbraucher durch das Angebot im Internet besser informiert sind, kann ich ja nachvollziehen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen und zurechtkommen. Dass aber vielfach auch der Respekt völlig abhanden kommt, ist neu.“ Zunehmend würde Verkaufspersonal „von oben herab“ behandelt, völlig „schamlos“ würden im Verkaufsgespräch Alternativen im Internet gesucht und selbst bei reduzierten Schuhen noch gefragt, „ob man da noch etwas machen kann“.
Die Kunden wüssten ganz genau, so dieUnternehmerin, dass sie überall und jederzeit den gewünschten Schuh kaufen könnten. Oft auch reduziert. Das Verkaufspersonal sei nichts mehr wert.
Wenn an dieser Stelle immer wieder darauf hingewiesen wird, dass der Handel durch mehr Service und Kundenorientierung punkten müsse, gehört auch diese Seite der Medaille dazu: Viele Verbraucher wollen dieses ’Mehr‘ gar nicht. Sie wollen auch kein ausführliches Beratungsgespräch. Sie wollen einfach nur einen Schuh, der ihnen gefällt. Zum möglichst optimalen Preis. Ob ein Händler sich viel Arbeit damit gemacht hat, ein Sortiment mit besonderer Aussage zusammenzustellen, interessiert viele Kunden nicht (mehr). Was es bedeutet, ein Geschäft mit einem Stab an Mitarbeitern zu führen – mit all den Risiken und den finanziellen Aufwendungen, die dazu gehören –, sowieso nicht.
Auch das ist Teil der neuen, schnellen, modernen Internet-Welt. Wenn alles möglich ist, scheint der respektvolle Umgang miteinander an Bedeutung abzunehmen. Wo immer häufiger nur noch das ’Ich‘ zählt, ist es offenbar nicht mehr relevant, wie ’wir‘ miteinander umgehen. Der Händler als Paketabholstation mit angeschlossenem Showroom. Das Verkaufspersonal als Handlanger. Womöglich werden die Kunden, die heute so respektlos in den Geschäften unterwegs sind, später am lautesten schreien, wenn es diese nicht mehr gibt.