Auch WMS arbeitet mit digitalen Hilfsmitteln – bleibt aber bei seiner Position, dass Kinderschuhe am besten im stationären Handel gekauft werden, richtig?
Annette von Czarnowski: Ja, exakt. Das ist immer schon die Positionierung von WMS. Wir sind, je kleiner das Kind, sehr dafür, den Schuhkauf in die Hände des Fachhandels zu geben. Wir bieten intensive und regelmäßige Schulungen, um die nachwachsenden Verkäuferinnen zu informieren und um vorhandenes Wissen aufzufrischen. Auch wenn wir von der wichtigen Rolle des Schuhhandels überzeugt sind, unterstützen wir auch hybride Angebote, weil sie sich in vielen Bereichen etabliert haben. Dazu gehören Apps, mit denen Eltern ihren Kindern die Füße mal zwischendurch messen können. Das finden wir wichtig. Wir haben zusammen mit zwei Start-ups zwei Apps auf den Markt gebracht. Wenn ich das in Seminaren vorstelle, kommt manchmal das Feedback: Um Himmels willen, wie könnt ihr sowas machen, ihr unterstützt damit doch den Onlineverkauf. Da versuche ich dann aber, charmant gegenzuhalten: Wenn wir den Onlinehandel, der häufig auch ein Hybrid zum stationären Handel ist, ignorieren würden, wäre das keine gesunde Haltung.
Was wünscht sich die Industrie, damit das WMS-System weiter eine Rolle im Markt spielt?
Michael Eckford: Wir haben alle festgestellt, dass, so sehr die Kunden den Handel auch im Lockdown unterstützt haben, am Ende der Onlinehandel auch bei Kinderschuhen zugenommen hat. Das dürfen wir nicht verteufeln. Der Onlineverkauf wird ein Teil unseres Business bleiben – Tendenz steigend. Inzwischen gibt es viele stationäre Händler, die auch digitale Angebote machen. Wir müssen diese Händler stärker darin unterstützen, dass sie die richtigen Schuhe an die Füße der Kinder bekommen. Da sehen wir eine Diskrepanz zwischen WMS-Anbietern und anderen Marken: in Passform, Länge, und Weite. Ich habe momentan den Eindruck, dass viele Verbraucher die Marken in einen Topf werfen. Sie bestellen bei verschiedenen Anbietern immer die gleiche Größe, probieren die Schuhe zuhause und sind dann enttäuscht, dass der eine perfekt passt und der andere vielleicht zu lang ist. Da wünsche ich mir die Information zu WMS. Es sollte erklärt werden, dass diese Schuhe Zuwachsraum und Schubraum berücksichtigen. Wenn wir es schaffen könnten, transparenter zu werden und Aufklärung zu betreiben, könnten wir die Retourenquote reduzieren. Bei manchen Dingen ist es offensichtlich: Drehoder Klettverschluss – die Eltern wissen dann, was sie bekommen. Auch bei Tex-Membrane oder Wollfutter. Aber bei WMS ist der Benefit so nicht sichtbar. Er ist in der Passform des Schuhs versteckt. Das besser zu vermitteln, daran müssen wir arbeiten.
Kerstin Horbach: Das Problem ist oft: Kunden entscheiden sich für den schöneren Schuh und kaufen ihn ungeachtet der Passform. Natürlich sage ich den Eltern: Dieses Modell ist zu schmal, es passt nicht richtig. Das ist online schwierig. Ich bin der Meinung: Eine gute WMS-Beratung bekommt man nur im stationären Handel. Alles andere kann helfen oder unterstützen – aber nicht mehr. Bei einem WMS-Schuh ist das Vertrauen, dass der richtig sitzt, viel größer.
Wie kann WMS weiter vorankommen?
Vessela Carillo: Es ist wichtig, die Bekanntheit des Systems in Richtung Endverbraucher zu fördern. Ich glaube, im Handel sind die Vorteile klar. Den Eltern ist die Fußgesundheit ihrer Kinder wichtig. Man darf nicht vergessen, dass die heutigen Eltern im digitalen Zeitalter groß geworden sind. Sie informieren sich primär online und deswegen ist es wichtig, sie dort abzuholen, wo sie suchen. Ich kenne auch Händler, die eigene Apps nutzen, um bei der Beratung unter verschiedenen Marken gleich die richtige Größe zu greifen.
Mehr Kommunikation in Richtung Verbraucher: Gibt es hier konkrete Pläne des DSI?
Annette von Czarnowski: Wir befassen uns damit sehr intensiv und nutzen verschiedene Kanäle. Seit 2020 bieten wir unsere Seminare auch online an und nehmen gerne alle Ideen auf. Wir haben Insta-Talk-Videos gedreht – dennoch hängt und stockt es immer wieder. Wir bekommen positives Feedback aus dem Handel. Aber wir können nicht immer nachvollziehen, ob die Botschaft auch bei den Endverbrauchern angekommen ist. Es ist völlig richtig: Wir müssen die Botschaft transportieren: Greifst du einen WMS-Schuh, hast Du Längensicherheit. Es gibt einen Passform-Unterschied zu anderen Marken. Wenn wir den besser kommunizieren könnten, wären wir einen großen Schritt weiter. Eine Idee wäre es, WMS-Schuhe außen klar zu kennzeichnen. Dann können Eltern diese Information gleich am Schuh erkennen. Ich stelle bei meinen Seminaren auch fest, dass oft nicht klar ist, welche Marken mit WMS arbeiten. Da werden dann auch Hersteller genannt, die WMS nicht nutzen – übrigens auch von Verkaufspersonal, das schon lange dabei ist. Ich bin offen für alle Ideen, gern auch im Miteinander. Vor zwei Jahren haben wir die bis dato sehr strengen Vorgaben bei größeren Kinderschuhen speziell für die Sneaker-Produktion gelockert. Das ist uns im technischen Arbeitskreis WMS gelungen. In dieser Diskussion war ein richtiger WMS-Spirit spürbar. Den würde ich mir wünschen, um die Kommunikation in Richtung Verbraucher zu verbessern.