schuhkurier: Frau Kähler, Sie haben angekündigt, Gallery Shoes, Gallery Fashion und das Showroom-Konzept zusammenlegen zu wollen. Die behördliche Anordnung sieht derzeit vor, dass bis einschließlich 31. August keine Großveranstaltungen erlaubt sind. In Ihrer Ankündigung sprechen Sie davon, dass das Showroom-Konzept den Auftakt der Messen bilden wird. Wie muss man sich das Konzept des Ablaufs/Dreiklangs aus zwei Messen und dem Showroom-Konzept konkret vorstellen?
Ulrike Kähler: Zunächst einmal ist mir wichtig zu betonen, dass wir aus der März-Veranstaltung der Gallery Shoes eine Menge Erfahrungen mitnehmen, die für die Planung der kommenden Branchenplattform hilfreich sind. Wir werden mit dem Virus leben müssen, bis es eine Impfung gibt. In vielen Lebensbereichen sind Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Vor diesem Hintergrund, aber auch aufgrund der behördlichen Vorgaben, werden wir am 30. August zunächst mit dem Showroom-Konzept auf dem Areal Böhler beginnen. Das bedeutet konkret, dass Agenturen dort in der Kaltstahlhalle präsent sind und die Kollektionen ihrer Marken zeigen.
Aktuell erwarten wir etwa 20 Agenturen aus dem Mode- und Schuhbereich und gehen davon aus, dass es noch mehr werden. Für uns als Organisatoren ist eine gute Handhabung möglich. Die Besucher machen feste Termine aus; alle Abläufe können zeitlich gut koordiniert werden. Damit erfüllen wir die behördlichen Vorgaben in jedem Fall. Vom 1. bis zum 3. September werden dann Gallery Fashion und Gallery Shoes stattfinden: den Umständen entsprechend mit neuer Tagesfolge. Wir möchten den Akteuren der Branche eine Plattform bieten – und das Zeichen setzen: Wir sind da.
Wie werden sich die Veranstaltungen die zur Verfügung stehende Fläche aufteilen?
Die Ausstellerstruktur beider Messen wird sich sicherlich verändern. Einige werden nicht mehr dabei sein. Andere kommen möglicherweise neu hinzu. Wenn die ersten Anmeldungen bei uns eintreffen – wovon ich in den nächsten Wochen ausgehe –, werden wir an die konkrete Planung gehen. Ich freue mich schon jetzt auf die spannungsreiche Darstellung der unterschiedlichen Bereiche Fashion und Schuhe auf dem Areal Böhler.
Sie sprechen in Ihrer Mitteilung von „Herausforderungen“ bei der Aufplanung. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Hürden?
Unser Ziel ist es, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und dem Ganzen einen attraktiven Rahmen zu geben. Es ist daher nicht im Sinne der Sache, wenn man in der Nachbarschaft eines avantgardistischen kleinen Fashionlabels urbane Sneaker platziert. Hier werden wir sehr sensibel und klug vorgehen. Accessoires sind sicherlich ein Thema, das man gut untermischen kann. Auch im Contemporary-Bereich gibt es Schnittmengen, die wir darstellen können. Segmente wie Eveningmode werden auch weiterhin ihre eigene Welt haben. Die Aufplanung braucht Zeit.
Die Geschäfte öffnen derzeit nach und nach. Die Industrie muss ebenso wie der Handel mit erheblichen Umsatzeinbußen rechnen. Wie wird sich diese Situation auf die Kostenstruktur der Gallery Shoes/Fashion auswirken?
Mir ist die Situation in der Branche sehr bewusst. Sicherlich gibt es in bestimmten Bereichen Spielräume, beispielsweise beim Standbau. Dieser ist im Schuhbereich sehr aufwändig, allein schon durch die Notwendigkeit beleuchteter Regale. Im Fashionbereich ist oft nicht mehr als ein Kollektionsträger erforderlich. Auch haben wir auf der Gallery Fashion ausschließlich Konzeptstandbauten, während es im Schuhbereich vielfach noch individuelle Stände gibt. Wir überlegen, ob wir den Standbau für die Schuhaussteller etwas kostengünstiger gestalten können. Auch wollen wir Aussteller mit eigenem Standbau im Hinblick auf einen Konzeptstand beraten. In einigen Bereichen lassen sich gewiss pragmatische Lösungen finden. So werden wir wahrscheinlich wieder zusätzliche Hallen aufbauen. Hier werden wir verschiedene Angebote einholen und die Kosten vergleichen. Man darf aber andererseits nicht vergessen, dass unser Leistungsangebot nicht geringer wird. Wir haben ein umfangreiches Hygienekonzept umzusetzen und sämtliche Vorgaben der Behörden einzuhalten.
Derzeit prüfe ich beispielsweise Angebote für Plexiglasscheiben, die an den Ordertischen aufgebaut werden können. Wir werden Mund-Nase-Masken bereitstellen. Und an allen Eingängen wird die genaue Anzahl der Anwesenden erfasst. Wir sind diesbezüglich zudem gerade dabei, mit unserem Partner im Bereich Besuchermanagement und -registrierung ein elektronisches Tool zu entwickeln, dass es uns ermöglicht, Zeitfenster für den Messebesuch zu definieren und die Besucherströme besser zu steuern. Der Aufwand ist enorm, aber notwendig.
Die ILM in Offenbach bietet Ihren Ausstellern zur kommende Messe in September (sollte diese stattfinden) zahlreiche Vergünstigungen – planen Sie ähnliche Maßnahmen?
Ich bin mit den Organisatoren der ILM immer wieder in engem Austausch. Ich denke, was dort geplant ist, können wir so nicht umsetzen. Aber wir werden versuchen, für unsere Aussteller und Besucher ein optimales Angebot vorzubereiten.
Welches Feedback haben Sie von den „wichtigen Branchen-Protagonisten“ erhalten, mit denen Sie in denen vergangenen Tagen gesprochen haben?
Wir sprechen nicht nur mit Schuhunternehmen, sondern auch mit Playern der Modeszene. Ich stelle fest, dass wir viel Zuspruch bekommen. Man nimmt uns ernst und würdigt unser Engagement. Da der gesamte Saisonverlauf ein anderer sein wird und etliche Messen abgesagt wurden, nimmt man uns in die Mitte. Das empfinden wir als sehr ermutigend.
Die allgemeine Definition einer Großveranstaltung umfasst derzeit mindestens 5.000 Teilnehmer. Diese sind allein mit den Ausstellern einer Doppelveranstaltung ggf. schon fast erreicht. Wie wollen Sie Sorge tragen, dass die Zahl nicht überschritten wird?
Die Definition einer Großveranstaltung ist wesentlich für unsere Pläne. Der Verband der Deutschen Messewirtschaft AUMA hat jetzt ganz aktuell nochmal darauf hingewiesen, dass Fachmessen die kritischen Kriterien einer Großveranstaltung in der Regel nicht aufweisen. Großveranstaltung, das ist ein Konzert in einem Stadion, ein Renntag auf dem Hockenheimring oder eine große Publikumsmesse. Solche Events sind mit einer Fachmesse wie Gallery Fashion oder Shoes in keiner Weise vergleichbar! Bei uns gibt es keinen unkontrollierten Besucherzufluss – im Gegenteil: Wir kennen viele Teilnehmer und können sie gezielt hinsichtlich ihrer Reiseplanung ansprechen. So können wir schon im Vorfeld vieles lenken. Ich verwende bei meinen Argumentationen inzwischen nicht mehr den Begriff „Messe“, sondern spreche bewusst von „Branchenplattformen“. In Gesprächen mit Behörden muss man den Vergleich mit einem großen Möbelhaus ziehen. Ebenso wie sich dort in Corona-Zeiten alle Anwesenden an die Sicherheitsregeln halten, wird es auch auf der Gallery Shoes und Gallery Fashion sein. Was die Zahl der anwesenden Personen angeht, so sind gerade im Fashionbereich meist keine großen Teams vor Ort. Ich gehe also davon aus, dass wir den vorgegebenen Rahmen einhalten können.
Wie wird das Sicherheitskonzept für die Messen Ende August/Anfang September aussehen?
Es umfasst alle Bereiche der Messe. Die Bereithaltung von Masken und Desinfektionsmitteln gehört ebenso dazu wie eine neu gestaltete Eingangssituation, um die Besucherströme besser lenken zu können. Auch werden unsere Hostessen umfangreich darin geschult, konkrete Fragen zu beantworten und auch Anweisungen zu geben. Ich bin sehr froh über die Unterstützung unseres Partners, des Areal Böhler. Hier wird man uns ebenfalls mit Personal unterstützen. Unsere Aussteller und Besucher können sicher sein, dass wir an alles denken werden!
Die Expo Riva Schuh sowie die Messen in Berlin wurden abgesagt. Zugleich fordert der Handel Möglichkeiten zur Order. Welche Rolle kann und wird die Gallery Shoes/Fashion hier spielen?
Es ist eine sehr spannende Entwicklung, die wir hier beobachten können. Keine Sommermesse in Riva, keine Messen in Berlin… Auch mehren sich ja die Stimmen für einen neuen Orderrhythmus. Das kann dazu führen, dass wir mit unserem Konzept und unserem Termin, gemäß der gesetzlichen Vorgaben, genau richtig liegen. Im übrigen gehe ich davon aus, dass wir nicht Anfang 2021 auf den Knopf drücken und sagen werden: „Ab jetzt läuft alles wieder wie immer“, und eine Branche fährt zur Pitti nach Florenz, nach Riva und nach Berlin. Nein, es wird tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen geben. Auch im Messegeschehen.
In Bayern wurde das Oktoberfest abgesagt. In Berlin sind ebenfalls Veranstaltungen bis Ende Oktober untersagt. Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass es auch in NRW oder bundesweit zu einer Ausdehnung des Großveranstaltungs-Verbots kommt?
Wie schon erläutert, kann dieser Vergleich von Oktoberfest als exemplarischer Großveranstaltung und einer Fachmesse mit geregelten Abläufen und völlig anderer Besucherstruktur nicht gezogen werden. Derzeit gehe ich natürlich davon aus, dass in Nordrhein-Westfalen Fachmessen unserer Größenordnung entsprechend der Vorgaben stattfinden können und werden.
Stichwort Saisontaktung: In der Branche mehren sich Stimmen, die eine Verlängerung der F/S-Saison und damit einen späteren Start der H/W-Saison fordern. Welche Rolle sehen Sie in diesem Zusammenhang für die Gallery Shoes/Fashion?
Ich spüre den Drang nach Veränderung in den Saisontaktungen auch sehr deutlich. Damit einher geht der Wunsch, nicht mehr das ganze Jahr über Sale zu veranstalten. Vieles wird sich im Zuge der Corona-Krise neu sortieren, manches vielleicht überflüssig werden. Die Menschen haben zunehmend den Kopf frei, um auch ganz neu zu denken. Der Termin unserer geplanten Branchenplattform trägt einer solchen Idee natürlich in perfekter Form Rechnung. Wenn Sie so wollen: Wir haben den Elfmeter vor das Tor gelegt bekommen. Nun muss er noch verwandelt werden. Das kann gelingen, wenn alle das Ganze im Blick behalten und sich nicht die Egoismen durchsetzen.
Corona wird vieles verändern. Auch unsere Branche. Welche langfristigen Veränderungen sehen Sie als Messeveranstalter?
Ich glaube, dass es eine Konzentration geben wird. Im Handel, in der Industrie und auch bei den Messen. Wird es die Vielzahl an Veranstaltungen, wie wir sie jetzt haben, weiterhin geben? Auch die regionalen? Ich glaube, nein. Wie oft sehen sich immer dieselben Menschen in unserer Branche in einer Orderrunde und sehen immer dieselben Produkte? Ich glaube, hier ist eine gewisse Bereinigung zu erwarten. Umso wichtiger ist es für uns, diese Chance zu nutzen. Wir werden alles, was möglich ist, tun, um einen guten Start als Branchenplattform zu realisieren. Ich bin gespannt, wie sich das neue Messe-Duo präsentieren wird. Und nach der Veranstaltung werden wir dann analysieren, wie weitere Pläne aussehen können.
Das vollständige Interview lesen Sie in schuhkurier Ausgabe 18/19