Vor 49 in Mainhausen anwesenden und weiteren 33 online zugeschalteten Mitgliedern mit insgesamt 88 Stimmrechten (inklusive erteilter Vollmachten) erläuterte der ANWR-Aufsichtsratsvorsitzende Holger Baierl, wie das Gremium gemeinsam mit dem Vorstand auf die Corona-Krise reagierte. „In der beginnenden Pandemie war unsere größte gemeinsame Sorge die Sicherung der Liquidität. Zielsetzung war die uneingeschränkte Handlungsfähigkeit der ANWR und der Händler.“ In der zweiten Phase der Krise habe man alles daran gesetzt, dem Handel Unterstützung bei der Wiedereröffnung der stationären Geschäfte zu bieten. Dazu hätten Verhandlungen mit Lieferanten gehört sowie Liquiditätshilfen, Wissensvermittlung und Materialien wie Desinfektionsmittel, Masken und Luftfilter.
„Die Dritte Phase der Pandemie endete wieder in einem Lockdown, und wir haben alle leidvoll erfahren, dass dieser noch lange in das Jahr 2021 hineingewirkt hat“, so Baierl. Themen der ANWR-Gremien seien wiederum die Liquiditätssicherung gewesen sowie Hilfe bei der Beantragung staatlicher Hilfe, politische Einflussnahme in Berlin und Kampagnen für den Re-Start. „Über alle Phasen dieser Pandemie war es das Ziel, Ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu gewähren“, so Baierl.
Auch 2021 werde ein „weiteres, sehr schwieriges, um nicht zu sagen verlorenes Jahr für den Schuhhandel“, schilderte der Aufsichtsratsvorsitzende mit Blick auf die kommenden Monate. Daher liege der Fokus der Verbundgruppe weiter auf Schadensbegrenzung und schnell wirkenden Maßnahmen. „Dennoch halten wir es für essenziell, uns mit der Gestaltung der mittelfristigen Zukunft zu befassen.“ Dabei wolle man einige unmittelbare Lehren aus der Pandemie berücksichtigen: „Ja, wir brauchen eine stärkere Lobby in der Politik in Berlin. Wir arbeiten daran. Ja, wir müssen weiterhin die Vertriebskanäle der Zukunft herausarbeiten, aber die Stärken des stationären Handels nicht unterschätzen und weiter fördern.“ Man solle sich auf die gemeinsamen Stärken besinnen. Kooperation und Vertrauen gehörten zu den Schlüsselkompetenzen für eine ANWR der Zukunft.
Frank Schuffelen: „Die ANWR ist ein verlässlicher Partner“
ANWR-Vorstandssprecher Frank Schuffelen schilderte in seinem Vortrag, welche Maßnahmen das Management der Verbundgruppe ergriff, um die Folgen der Pandemie abzumildern. Dabei sei es auch darum gegangen, die finanzielle und wirtschaftliche Stabilität der ANWR Group selbst zu sichern. „Die ANWR ist ebenso wie Sie von Einkaufs- und Handelsumsätzen abhängig. Unsere Liquiditätsbelastung verläuft in ähnlichen Rhythmen wie Ihre. Daher lag zu Beginn der Pandemie besonderer Fokus auf Sicherung der Liquidität.“ Im März 2020 habe man intensive Gespräche mit den kreditgebenden Banken geführt. Die Gruppe erreichte eine Finanzierungszusage über 60 Mio. Euro KfW-Mittel, die im Sommer 2020 bereitstanden. „Den Kredit haben wir nicht in Anspruch genommen. Wir hatten Bedenken, dass das der richtige Weg für die ANWR war“, so Schuffelen. Mit einer Inanspruchnahme des Kredites wäre die Finanzverschuldung erheblich gestiegen. Man habe daher nach Alternativen gesucht und gemeinsam mit dem Aufsichtsrat entschieden, andere Mittel zu nutzen. Daher wurde eine ANWR-eigene Immobilie in Düsseldorf Ende des Jahres 2020 verkauft. „Der Erlös des Verkauf ebnet den Weg der nächsten Jahre“, so Schuffelen.
Das Abrechnungsvolumen der ANWR Group stieg von 2019 auf 2020 leicht um 0,2% auf 17,8 Mrd. Euro, wobei 84,6% Finanzdienstleistungen umfassen (Vorjahr: 83,6%) und 7% den Schuhsektor (Vorjahr: 8,7%). Der Anteil des Sportbereichs stieg leicht von 7,1% im Vorjahr auf 7,6% in 2020. Das Abrechnungsvolumen der Eigenverbünde innerhalb der Gruppe entwickelte sich unter dem Eindruck der Corona-Pandemie unterschiedlich. Es umfasste im Sportbereich 1,28 Mrd. Euro (+1,1% im Vergleich zum Vorjahr), im Schuhbereich 1,23 Mrd. Euro (-20,1%) und im Lederwarensegment 68 Mio. Euro (-36%).
Das Abrechnungsvolumen in Höhe von insgesamt 16,4 Mrd. Euro umfasst allein 13,8 Mrd. Euro für Drittverbünde und 2,6 Mrd. Euro für Eigenverbünde (Sport, Schuhe, Lederwaren). Es besteht eine Zusammenarbeit mit 80 Kooperationen und 20.000 Händlern in 15 Branchen und 20 Ländern. Zu den Branchen gehören Baustoffe, Holz, KfZ, Möbel und Heizung.
„Größe macht nicht glücklich und ist auch nicht das eigentliche Ziel. Wir sind aber über die Branchenvielfalt ein stabiler und verlässlicher Partner für Handel und Industrie“, erklärte Frank Schuffelen. Dieses „Pfund“ habe man bei allen Gesprächen in die Waagschale geworfen. Wir wissen, dass nicht alle Vorschläge im politischen Berlin gehört werden. Seien Sie aber versichert, dass wir dranbleiben.“
Bei den Umsatzerlösen büßte die ANWR rund 27 Mio. Euro ein. Dieser Rückgang entfiel mit minus 46 Mio. Euro auf die Kernleistungen Zentralregulierung, Zentralfakturierung sowie Groß- und Einzelhandel. Die positive Entwicklung der E-Commerce Umsätze – hier mit einem Plus von 19 Mio. Euro – konnten die zuvor genannte Entwicklung nur teilweise ausgleichen. Beim Rohertrag verliert die ANWR Unternehmensgruppe knapp 17 Mio. Euro. „Die sonstigen betrieblichen Erträge haben das Unternehmensergebnis im letzten Jahr gerettet“, so Frank Schuffelen. Hier sei der Gewinn aus der Veräußerung der Düsseldorfer Immobilie mit knapp 112 Mio. Euro enthalten. Der Personalaufwand lag knapp 3 Mio. Euro unter dem Niveau von 2019. Grund für den Rückgang ist das erhaltene Kurzarbeitergeld. Darüber hinaus wurden im Jahr 2020 niedrigere variable Vergütungen gewährt und Gehaltsverzichte auf der Managementebene vereinbart.
Nach Berücksichtigung des Finanzergebnisses erzielte der ANWR Konzern ein Ergebnis vor Steuern von 70 Mio. Euro. „In diesem sind nicht operative Erträge über 118 Mio. Euro und nicht operative Aufwendungen von 31 Mio. Euro enthalten. Die ANWR-Unternehmensgruppe hat das Geschäftsjahr 2020 daher mit einem operativen Verlust vor Steuern von rund 17 Mio. Euro abgeschlossen“, erläuterte Schuffelen weiter.
Händler üben Kritik
Von den Anwesenden und digital zugeschalteten Händlern kamen mehrere Wortmeldungen, die sich kritisch mit einzelnen Entscheidungen auseinandersetzten. Im Fokus stand dabei das Vorhaben der ANWR Group, die Unterzeichnung von Datennutzungsvereinbarungen mit der Teilnahme an Warenprogrammen zu verknüpfen. Die ANWR-Vorstandsmitglieder sicherten zu, dass der Datenschutz in allen Bereichen gewährleistet und ein Missbrauch der Daten ausgeschlossen sei. Skeptisch äußerten sich Händler sowohl in Mainhausen als auch über den Online-Chat: Zwang sei nicht im Sinne der Genossenschaft und das Vorhaben stehe im krassen Widerspruch zur Satzung der Verbundgruppe, hieß es dabei unter anderem. Auch wurde kritisiert, dass viel mehr Daten gesammelt würden als tatsächlich benötigt. Vorstandsmitglied Matthias Grevener hielt dem entgegen, das man sehr wohl Daten abfrage, die relevant seien, auch um in Verhandlungen mit der Industrie kompetent auftreten zu können. „Nur für die Mitgliedschaft in einer Vereinigung bekommt man heute von den Lieferanten keine Konditionen mehr. Genossenschaft ist ein Geben und Nehmen“, so Grevener.
Kritische Fragen richteten sich auch auf die Gebührenerhöhung für schuhe.de. Diese war Anfang 2021 erfolgt – aus Sicht von Händlern unter dem Eindruck der Pandemie zur Unzeit. Grevener erläuterte, die Gebührenerhöhung sei langfristig geplant gewesen – allerdings habe man die Pandemie und den darauf folgenden Lockdown nicht vorhersehen können. Hätte man auf die Gebührenerhöhung verzichtet, hätte man weniger in Marketing für schuhe.de investieren können.
Aufsichtsratswahlen: Ulrich Volk neu gewählt
Turnusgemäß schieden Aufsichtsratsvorsitzende Holger Baierl sowie die Mitglieder Michael Höppner, Klaus Rollmann und Thomas Tiefenbacher aus dem Gremium aus. Baierl, Rollmann und Tiefenbacher wurden erneut in den Aufsichtsrat gewählt. Michael Höppner aus Rostock stellte sich nicht erneut zur Wiederwahl. Neues Mitglied im Aufsichtsrat ist Ulrich Volk aus Elzach. Der 56-Jährige führt gemeinsam mit seiner Tochter Lisa und seinem Neffen Andreas das Familienunternehmen Volk mit fünf Standorten plus Onlineshop und 48 Mitarbeitern im Raum Freiburg. Er wolle sich im Sinne der Genossenschaft engagieren und alles dafür tun, dass die Verbundgruppe wieder „unsere ANWR“ werde, so Ulrich Volk.
Die nächste Generalversammlung der ANWR findet vom 12. bis 14. Juni 2022 in Salzburg statt.