Unsere Branche quält sich auch Mitte Oktober noch mit dem nicht enden wollenden Sommer. Die Menschen flanieren – wenn überhaupt – in T-Shirts durch die Städte. Verlockend sind bestenfalls Eisdielen und Biergärten. Die Geschäfte, in denen Daunenjacken für den Übergang, herbstliche Booties und auch schon winterliche Outfits präsentiert werden, sind verwaist. Die Nerven im Mode- und Schuhhandel liegen entsprechend blank. Lösungen müssen her – Notlösungen. Görtz-Geschäftsführer Frank Revermann erklärt im Interview mit schuhkurier, wie massiv die Auswirkungen der Witterung auf das Hamburger Unternehmen sind: „Der Frequenzrückgang im stationären Handel ist deutlich spürbar“, so Revermann. Auch das Onlinegeschäft leide unter den Bedingungen. Zugleich betont der Manager, warum es seiner Meinung nach nicht ohne Reduzierungen geht. Rabatte seien ein fester Bestandteil der Handelslandschaft. Sie ermöglichten es dem Handel, das Geschäft zu steuern. Konkret: Kauflaune anregen mit dem Rotstift. Der reduzierte Preis als Impuls für den Konsumenten. „Eine fachkundige Beratung und schöne Geschäfte reichen dazu bedauerlicherweise nicht“, so Revermann schonungslos. Beeindruckend ehrlich stellt der Görtz-Chef zudem klar, dass der Filialist aus der Hansestadt es sich jedenfalls nicht leisten könne, auf Rabatte zu verzichten – schlichtweg weil das Wettbewerbsumfeld ebenfalls mit Reduzierungen arbeitet. Wer nicht mitmacht, hat in einer ohnehin angespannten Situation das Nachsehen.
Für Revermann ist ein grundsätzlicher Ausstieg aus dem sich immer früher und schneller drehenden Preiskarussell nicht möglich. Der Kunde sei längst zum Schnäppchenjäger erzogen, auch durch die fortwährenden Sonderangebote anderer Branchen. Da ist viel Wahres dran. ’Geiz ist geil‘, auch Jahre nach der Kampagne des Unterhaltungselektronik-Spezialisten Saturn hat der Slogan kaum an Wirkung verloren. Mehr noch: Er hat längst Kultcharakter erreicht. Wie sehr wir Deutschen zu Rabattjägern geworden sind, wie wenig Bewusstsein für den Wert der Produkte wir haben, sieht man schnell, wenn man im Ausland unterwegs ist. Man sieht es im Supermarkt in Frankreich, in der Modeboutique in Österreich. Wir haben kein Gefühl dafür, was ein gutes Produkt ausmacht, wie viel Aufwand darin steckt. Egal, ob es sich um Brot, Gemüse, eine Jeans oder ein Paar Schuhe handelt.
Das ist gefährlich, geradezu toxisch. Für den Handel, der ohnehin am Limit kämpft. Für die Industrie im nächsten Schritt. Aber auch für den Verbraucher, der nur noch auf Prozentzeichen reagiert und wie ein Pawlowscher Hund Kauflust entwickelt, wenn irgendwo ein ’…auf Alles‘ prangt. Und der dann – nicht selten ohne Sinn und Verstand – einkauft. Wo soll das hinführen? In den Irrsinn. Wir alle sind gefordert, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Auch wenn es schwierig scheint. Unmöglich darf es nicht sein.