Hersteller müssen sich neue Vertriebskanäle suchen. Das können Exportmärkte und auch der Onlinehandel sein, wobei die Onlinehändler ihre Strategie ebenfalls angepasst haben bzw. auch hier Player aus dem Markt verschwunden sind. Was bedeutet das für die Lieferanten?
Gerrit Heinemann: Problematisch ist es, wenn man jetzt kurzfristig reagieren muss, weil man nicht schon in den zurückliegenden Jahren agiert hat. Natürlich müssen Lieferanten jetzt ihre Absatzmärkte justieren. Im Onlinehandel sind die zweistelligen Wachstumsraten vorbei. Es reicht immer noch für einen einstelligen Zuwachs, aber die Supply Chains sind besetzt, so dass es für potenzielle neue Player wenig bis keinen Raum gibt. Gewinner sind zweifellos Discounter und Vertikale. Deichmann hat sich über Jahre ein großes Markenportfolio aufgebaut und erreicht durch die Kontrolle der Produktion sehr geringe Retourenquoten. Hersteller werden versuchen, ihren eigenen D2C-Anteil auszubauen. Das kann man im Sportsektor schon beobachten, wo Nike aktuell einen D2C-Anteil von 40% angibt. Ich gehe davon aus, dass das Unternehmen langfristig 100% anstrebt, und zwar durch Onlinehandel und eigene Stores. Der Plattformumsatz von Nike liegt aktuell im D2C bei 10,5 Mrd. Euro, damit ist das Unternehmen eine der führenden Onlineplattformen und wird langfristig ein Vertikaler werden. Adidas wird versuchen, es Nike gleichzutun, und die meisten Hersteller werden dann diesem Beispiel folgen.
Die Gebührenanpassung von Zalando bringt die über Connected Retail angeschlossenen Händler in große Bedrängnis. Viele haben für den Onlineverkauf Ware eingekauft und müssen nun die recht kurzfristig eingeführten neuen Gebühren verkraften. Was würden Sie Händlern in dieser Situation raten?
Gerrit Heinemann: Ich halte die Diskussion über dieses Thema für Quatsch. Selbst bei gestiegenen Marketingkosten ist Connected Retail immer noch günstiger als wenn man als Händler die Ware selbst vermarkten würde. Die jetzt stattfindende Rentabilisierung im Onlinehandel ist logisch. Ich würde dazu raten, das Thema weniger emotional zu betrachten, sondern kalkuliert.
Das Marktvolumen an Schuhen sinkt (derzeit) nicht, auch wenn die Kaufkraft aktuell zu wünschen übrig lässt. Wo werden die Menschen künftig ihre Schuhe kaufen – wer sind also die Gewinner der aktuellen Strukturveränderungen?
Gerrit Heinemann: Es wird innerhalb des Marktes zu Verschiebungen kommen. Was wir in Zukunft kaum noch sehen werden, ist der klassische stationäre Multilabelhändler. Der Umsatzanteil dieser Unternehmen hat sich im Bekleidungshandel von ehemals rund 50 Mrd. Euro auf nicht mal mehr 10 Mrd. reduziert. Wachsen werden der Onlinehandel und Discounter – wozu ich auch Deichmann zähle – sowie das D2C-Business der Industrie. Wir werden in den nächsten Jahren eine wachsende Zahl an Monomarkenstores in den Innenstädten sehen. Dass sich kleine, inhabergeführte Geschäfte, vor allem in Mittelstädten, in der Pandemie gut geschlagen haben, ist erfreulich. Hier trennt wahrscheinlich die eigene Immobilie und damit einhergehend eine andere Kostenstruktur die Spreu vom Weizen. Den Strukturwandel im Markt wird dies aber nicht aufhalten.