Als Beobachter der Schuhbranche gehört er zum Arbeitsalltag: der gesenkte Blick. Was tragen die Menschen an ihren Füßen? Die Beantwortung dieser Frage hat sich von der reinen Beobachtung zu einem persönlichen Tick entwickelt. Und ich weiß, dass es sehr vielen von Ihnen genauso geht. Dann werden Sie auch diesen Eindruck teilen: Sie sind überall. In der Fußgängerzone, auf dem Wochenmarkt, in der Straßenbahn und auf dem Schulhof sowieso. Sneaker. Quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen ist er längst der bevorzugte Schuh vieler Menschen. Lange, lange vorbei sind die Zeiten, als Joschka
Fischer die Nation noch mit seinem legendären Auftritt 1985 im hessischen Landtag schocken konnte. Heute trägt auch Oma Skechers und Opa Converse. Alles kein Problem mehr.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich das Marktvolumen von Sneakern allein in Deutschland laut einer neuen Studie des Instituts für Handelsforschung aus Köln seit 2012 auf 2 Mrd. Euro mehr als verdoppelt hat. Da die Deutschen im gleichen Zeitraum nicht wesentlich mehr Schuhe gekauft haben, ging dieses Wachstum vor allem zu Lasten der klassischen Anbieter von Damen-, Herren- und Kinderschuhen. Ein Ende des Sneaker-Hypes ist nicht in Sicht. Vor allem die Dominanz der beiden Global Player Nike und Adidas ist auf lange Sicht nicht zu brechen. Zu groß ist die Anziehungskraft der beiden Marken, die ihr Image mit milliardenschweren Marketingbudgets befeuern.
Dies geht so weit, dass im High-End-Bereich Sammler bereit sind, mehrere Tausend Euro für ein besonders streng limitiertes Modell zu bezahlen. Zugleich investieren die Unternehmen viel Geld in neue Technologien sowohl in der Produktion als auch in den eigenen Stores, um dem Wettbewerb immer mindestens einen Schritt voraus zu sein. Die Rechnung geht auf.
Was bleibt dem Fachhandel? Zunächst nicht viel mehr, als sich wohl oder übel mit der Situation zu arrangieren – und das Beste daraus machen. Die Phase des Jammerns ist überwunden. Das zeigen Projekte wie die Sneakerwand der ANWR oder auch die Kooperation zwischen SABU und Intersport. Positiv ist außerdem zu bewerten, dass mittlerweile auch die sportiven Modelle der etablierten Fachhandelslieferanten bei den Kundinnen und Kunden Akzeptanz finden. Das zeigen übereinstimmende Berichte aus dem Handel. Für Frühjahr/Sommer 2020 wurde das Angebot nochmals ausgebaut, vom Komfortschuhanbieter bis hin zum traditionsreichen Herrenschuhspezialisten. Schuhe ohne drei Streifen oder Swoosh – aber mit viel Potenzial.