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Roundtable-Gespräch zu Lieferterminen
- 03.03.2023
- Petra Steinke
- 12 Minuten
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Roundtable-Gespräch zu Lieferterminen
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Headerfoto: Vertreter aus Handel und Industrie diskutierten darüber, welcher Rhythmus aus Order- und Lieferterminen allen zugutekommt. (Foto: Euijae Kim)
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Claudia Holbach: Wenn ich H/W 22/23 betrachte, haben wir einige Artikel im Oktober bekommen, die wir eigentlich schon im August erwartet hatten. Dadurch haben sich nicht die Abverkäufe ergeben, die wir uns erhofft hatten. Ich hätte mir gewünscht, dass wir rechtzeitig informiert werden, ob ein Schuh noch kommt, und wenn ja, wann. Wir hätten früher reagieren und am Lager Ware nachziehen können, die sich schneller gedreht hätte. Ich hoffe, dass sich die Situation weiter entspannt und wir wieder flexibler werden. Wir werden unsere Vororder gerne früh platzieren, insgesamt aber reduzieren, um in der Saison schneller reagieren zu können.
Andreas Neuhaus: Meine Erfahrungen sind ziemlich ähnlich. Die Zahlen spiegeln diese Entwicklung wider. Die Abverkaufsquoten liegen zwischen 50 und 58%. Es sind ungefähr 10, 15%, die uns fehlen, weil die Ware zu spät gekommen ist. Aktuell werden wir mit Ware zugeschüttet. Das höre ich auch von vielen Kollegen. Die Lieferketten scheinen derzeit zu funktionieren und die Lieferanten bringen in den Markt, was immer möglich ist. Das Problem ist: Wenn Du nur etwa 50% abverkauft hast, hast Du noch 50% der Ware im Lager. Man muss also sehen, wo man die neue Ware unterbringen kann. Das ist eine Herausforderung für uns. Aber ich glaube, dass wir wieder auf einen normalen Weg kommen werden. Es ist ja vieles entspannter geworden. Es gibt wieder ausreichend Container und die Preise haben sich wieder einigermaßen normalisiert.
Thomas Hüser: Durch die vorhandene Ware ist jede Menge Geld gebunden. Meine Frau hat ziemlich viele Standards eingekauft, die wir sonst in der nächsten Saison zu einem höheren Preis einkaufen müssten. Zur Frage der Order: Ich habe immer wahrgenommen, dass alle mit der Situation unzufrieden waren. Der Handel committe sich zu wenig, sagt die Industrie. Die Industrie halte sich nicht an Liefertermine, sagt der Handel. Wäre es jetzt nicht die Zeit zu sagen: Komm, wir finden eine neue, eine bessere Lösung! Was ich aber jetzt erlebe, ist, dass wir jeden zweiten Tag neue AGBs bekommen, in denen es immer darum geht, die Folgen eines Lieferverzuges für die Lieferanten deutlich zu verringern. Zudem gibt es Marken zum Beispiel im Outdoor-Bereich, die benötigen inzwischen ein Jahr Vorlauf. Insgesamt nehme ich sehr viel Unzufriedenheit im Markt wahr.
„Wir brauchen wieder 20% mehr Individualität in jedem Schaufenster?“
Andreas Neuhaus|Schuhhaus Winterscheidt
Andreas Neuhaus: Wir versuchen schon seit 25 Jahren, die Lieferoptimierung hinzubekommen. Warum gibt es keine GDS mehr? Weil wir sie von links nach rechts und von oben nach unten gedreht haben. Wir kommen nicht auf einen gemeinsamen Nenner – auch nicht im Hinblick auf den Saisonverlauf.
Ralf Grossmann: Aber dass die GDS zuletzt zu spät war, darin sind wir uns doch einig, oder?
Thomas Hüser: Ich soll mich committen, und ich will mich auch committen. Nur: Was bekomme ich dafür? Das ist meine Frage. Wenn ich bis zu einem Jahr im Voraus bestelle, bekomme ich dann die Ware auch pünktlich? Ich fürchte: nein.
Kristin Käpplinger: Wie sieht es bei solchen Anbietern mit Nachlieferfähigkeit aus?
Thomas Hüser: Die gibt es in der Regel nicht. Darum werden wir unsere Lieferanten künftig danach auswählen, wie das Gesamtpaket aussieht.
Ralf Meurer: Früher fand die GDS Mitte März statt und bildete den Saisonstart. Dann hat die Industrie angefangen, Rabatte einzuführen nach dem Motto: Händler, kauf auch vorher schon, weil wir unsere Fabriken auslasten müssen. In der Zwischenzeit hat sich vieles geändert. Für uns als Hersteller ist die Kernfrage: Wo kommen die Komponenten her, und wo wird produziert? Wir kaufen immer noch 95% unserer Leder in Südeuropa. Aber das Drumherum wird immer schwieriger, auch weil die Zahl unserer Vorlieferanten sinkt.
Andreas Schaller: Diese Problematik kennen wir auch. Auch die Entwicklungszeit ist nach vorne gerückt. Es stimmt, die GDS bildete den Saisonstart, aber der erste Liefertermin, den wir hatten, war damals Anfang August. Das wäre heute undenkbar. Heute finden die ersten Lieferungen im Mai statt. Das wurde gefordert, um möglichst immer wieder neue Impulse im Handel zu setzen. Damit haben wir natürlich einen kürzeren Durchlauf und müssen früher starten.
„Wir benötigen die Schuhe, wenn der Endverbraucher danach fragt.“
Claudia Holbach|Schuhhaus Wagner
Roman Degenhardt: Im Mai brauchen wir Herbst/Winter-Schuhe definitiv nicht und im Juni auch sehr, sehr selten.
Claudia Holbach: Wir benötigen die Schuhe, wenn der Endverbraucher danach fragt. Sandalen beispielsweise für Ende März, Anfang April.
Ralf Meurer: Wir haben Pantoletten ab Liefertermin Anfang April angeboten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im April schneit, ist höher als zu Weihnachten! Was will man denn dann mit Pantoletten! Es gibt aber Händler, die mir sagen: Zum Liefertermin Anfang April kaufe ich die Schuhe nicht, das ist mir zu spät. Die Anforderungen sind extrem vielschichtig. Ein Wort zu den Containern: Ja – es sind genug Container da. Wir bezahlen auch wieder Preise wie vor der Pandemie. Aber es gibt trotzdem noch Störfälle. So fahren die Schiffe beispielsweise nicht immer nach Fahrplan. Das war früher nicht so schlimm, dann wurde etwas schneller gefahren, um die Zeit wieder aufzuholen. Das passiert heute nicht mehr. So kommt ein Schiff mit drei Tagen Verspätung in Hamburg an, und dann kommt es zu weiteren Verzögerungen. Diese Kosten für Abfertigung und LKW Transport sind im Vergleich zu vor der Pandemie um 25% gestiegen. Früher konnte man noch ausweichen – etwa über den Zug der Seidenstraße.
Ralf Grossmann: Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Wir könnten theoretisch Ware per LKW auf dem Landweg aus Asien hertransportieren. Die Möglichkeit besteht aber nicht mehr, weil kein Fahrer bereit ist, die Ukraine zu umfahren.
Ralf Meurer: Die Lieferketten sind besser als in der Pandemie – aber noch nicht so, wie sie früher waren. Und zu den Komponenten eine Ergänzung: Wir bekommen einiges nicht mehr aus Europa, weil das Know-how abgewandert ist. Man muss also in Asien sourcen. Stichwort Gummisohlen: Es gibt in Italien nur noch wenige Hersteller für gute Gummisohlen. Deren Kapazitäten sind ausgereizt.
Thomas Hüser: Ich kann nachvollziehen, dass man angesichts dieser Umstände
als Hersteller keinen genauen Vorlauf mehr benennen kann. Doch wie kann denn eine Lösung aussehen?
Ralf Meurer: Wir lösen das Problem, indem wir früher ins Risiko gehen. Wir verkaufen im Winter Stiefel mit Lammfellfutter. Die Futtermaterialien haben wir schon im August gekauft – obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Erkenntnisse aus dem Handel habe. Jeder muss mehr ins Risiko gehen.
„Ich muss wissen, welche Gruppe ich wann freigeben kann.“
Ralf Grossmann|Gerli
Thomas Hüser: Dann würde es also auch nichts nützen, wenn ich vor der Order sage: Ich committe mich für eine bestimmte Menge.
Ralf Grossmann: Ein Problem ist auch der Formenbau. Gerade dieser ist nach Asien abgewandert. Für mich ist wichtig, früh die Aufträge zu bekommen. Nicht unbedingt auf das Modell oder die Farbe heruntergebrochen. Material ist für mich ebenfalls sekundär. Es geht für mich um die Gruppe. Ich muss wissen, welche Gruppe ich wann freigeben kann. Die Vorlaufzeiten umfassen in Asien bei bestehenden Modellen drei Monate und bei Neuheiten vier Monate. Die Formen müssen rechtzeitig freigegeben werden. Ich muss also wissen, für welche Gruppen die erforderlichen Mengen zusammenkommen, sodass sich die Investition in die Form amortisiert.
Stephan Krug: Die entscheidende Frage ist: Wann will der Konsument welche Schuhe auf der Fläche sehen?
Ralf Grossmann: Die Schuhe sind viel zu früh im Handel. Der Kunde kommt dann drei, vier Mal in den Laden und sagt irgendwann: Das sind alles alte Schuhe.
Andreas Schaller: Die Topmodeleute und eigentlich die ganze Branche wurde seinerzeit von einem Düsseldorfer Händler negativ beeinflusst: Eickhoff hat damals gesagt: Ich verkaufe ab April Herbst/Winter-Ware. Und ich reduziere ab September. Dann sind alle nach Düsseldorf gerannt, standen an den Schaufenstern, fanden das toll und entschieden: Das machen wir auch. Nur, dass Eickhoff lediglich 0,1% der Bevölkerung bedient hat. Und die meisten anderen Konsumenten kaufen bedarfsorientiert. Dieses Bedarfsorientierte haben wir aus den Augen verloren, weil wir uns haben treiben lassen von den ganz wenigen Modespitzen. Das war im Textilbereich so, und auch im Schuhbereich. Deshalb reduzieren wir auch die offenen Schuhe, wenn Langnese im Sommer mit der Eiswerbung beginnt.
Ralf Grossmann: Wir reduzieren im Januar, wenn es richtig kalt ist, unsere gefütterten Schuhe. In der Hotellerie in den Bergen werden die Preise erhöht, wenn es schneit.
Roman Degenhardt: Wie viel Prozent der Händler wollen denn die Ware so früh? Sind das mehr als 1% des Marktes?
Ralf Meurer: Wir haben dieses Jahr entschieden: Sandaletten liefern wir frühestens Ende März, Pantoletten ab Anfang April. 25% der Händler waren damit unzufrieden.
„Wir fangen bereits im Oktober an, H/W-Ware zu produzieren – lange bevor die Kollektion dem Vertrieb übergeben wird.“
Kristin Käpplinger|Legero United
Thomas Hüser: Diesen schwarzen Peter lehne ich ab. Bei der Order sagt mir doch der Außendienst, welches der früheste Liefertermin ist. Zur Frage, ob wir bedarfsgerecht einkaufen: Ich denke schon, dass wir eine Vorstellung vom Bedarf haben und danach einkaufen. Die Industrie hat das Steuerungsinstrument und kann Liefertermine festlegen. Aber das ist keine Antwort auf die Frage: Wie früh muss ich mich committen, damit ich bei dem, was ich als bedarfsgerecht festgestellt habe, eine hohe Lieferwahrscheinlichkeit habe?
Ralf Meurer: Wir sagen dem Handel, wir können nicht früher die offene Ware liefern, weil wir vorher die Loafer und die Sneaker liefern wollen.
Thomas Hüser: Wenn die Meinungen so auseinander gehen, dann muss ein Händler doch entscheiden können, ob andere Väter nicht auch schöne Töchter haben, oder anders gesagt, sind andere Lieferanten in der Lage rechtzeitig zu liefern.
Andreas Schaller: Die Industrie bekommt dann gegebenenfalls einen Auftrag nicht, weil der Handel auf seiner Position beharrt.
Ralf Meurer: Eine Frage an den Handel: Stiefel mit Lammfellfutter und Membran, wann wollen Sie die im Laden haben?
Claudia Holbach: Mitte, Ende Oktober.
Ralf Meurer: Wir bieten für diese Ware im Augenblick bereits für den Liefertermin Ende September. Das ist für manche Händler schon zu spät.
Roman Degenhardt: Eine Folge der zu frühen Lieferfenster ist: Wir haben in der Branche einige Störenfriede, die schon im Oktober mit Rabatten um sich werfen müssen, um Liquidität freizusetzen, und die komplette Branche damit schädigen. Wir reden hier von nicht mal 5% der Händler, die aber über 95% der Händler die Wirtschaftlichkeit kaputt machen.
Ralf Grossmann: Hinzu kommt der Futterneid: Ein Händler hat Angst, dass der Mitbewerber das Geschäft macht. Darum wollen alle die Ware so früh auf der Fläche haben.
Thomas Hüser: Unser Thema waren die Lieferketten – wir reden die ganze Zeit jedoch darüber, dass die Einzelhändler schuld sind, weil sie die Ware zu früh haben wollen. So kommt es mir vor.
Ralf Meurer: Die Frage für uns Lieferanten lautet: Wann muss welches Material eingekauft werden, um rechtzeitig die Ware liefern zu können? Zudem müssen die Schuhe noch produziert werden. Das ist heute sehr komplex geworden. Wir hätten gern im letzten Jahr einige Hundert Mitarbeiter eingestellt – sowohl in Portugal als auch in der Slowakei. Aber wir haben niemand bekommen. Wir hatten in H/W auch Schwierigkeiten mit der Auslieferung, weil uns Mitarbeiter gefehlt haben.
"Wenn ich 60 Lieferanten habe und vier Mal im Jahr ordern müsste, dann muss das Prozedere deutlich schlanker sein"
Thomas Hüser|Schuhhaus Hölscher
Stephan Krug: Mal ganz pragmatisch gesprochen: Der Händler teilt seine Ware in vier Kategorien ein: zum Anfang der Saison Übergangsware, dann offene Ware, wieder Übergangsware und dann wieder Winterware. Dann wird zurückgerechnet: Liefertermin minus Leadtime, und man kommt auf fünf Monate. Wenn man Ende März Übergangsware für den Sommer im Laden haben will und Ende Mai, Anfang Juni offene Ware und Ende September, Anfang Oktober Warmfuttermodelle, dann ist das doch gar nicht so kompliziert. Der Handel möchte gut informiert einkaufen und ein Einkaufserlebnis bieten. Die Frage wäre dann: Will der Händler eine Kollektion komplett anschauen und alles auf einmal ordern oder lieber in Etappen? Viele Händler finden es einfacher, alles in einem Aufwasch zu erledigen, weil das effizienter ist. Ich persönlich finde die Lösung gar nicht so problematisch: Ich habe vier verschiedene Kollektionen und müsste theoretisch vier Mal einkaufen. Ließe sich das organisieren?
Claudia Holbach: Wir haben als Schuhhändler eigentlich keine Zeit, weil wir viel auf der Fläche und bei unseren Kunden sind. Wir planen Messetermine und schauen uns die Kollektionen an. Und dann wird geschrieben. Ideen wie Musteraufträge und man schaut dann in sechs Wochen nochmal – das ist nicht praktikabel.
Claudia Holbach: Wir sind in Mainhausen und in Pirmasens. Düsseldorf und München sind für uns keine Option, weil sie für uns zu spät sind.
Thomas Hüser: Wenn ich 60 Lieferanten habe und vier Mal im Jahr ordern müsste, dann muss das Prozedere aber deutlich schlanker und einfacher werden. Ich bekomme beispielsweise nur von 5% der Lieferanten Vorabzugriff auf die neuen Kollektionen. Für uns ist dies immanent wichtig, um uns schon einmal vorzubereiten. Aber durch vier Ordertermine wird doch die Problematik letztlich nicht gelöst – oder?
Roman Degenhardt: Mittlerweile umfasst der Termin der sogenannten KO oder Vorabkollektionen über die Hälfte der Kollektionen – früher waren das mal 10 bis 20 Modelle. Wir legen uns fest zu einem Zeitpunkt, an dem wir noch gar nicht wissen, welche Trends wichtig sind. Wir sollten das wieder zurückdrehen, indem der Handel den Herstellern eine Ansage macht: Ich werde nächstes Jahr im Dezember nicht mehr 50% der Schuhe bei Lieferant X kaufen. Das muss für alle gelten. Ich verstehe, dass man für einige Modelle etwas länger braucht. Aber inzwischen ist das zu weit verbreitet. Ich persönlich will eigentlich gar keine Order im Dezember tätigen und mich bis Anfang Januar voll aufs Geschäft konzentrieren. Und die paar Modelle, die ich aus der H/W-Kollektion für Juni oder Juli brauche, sollten auch im Januar noch machbar sein.
"Die Frage für uns Lieferanten lautet: Wann muss welches Material eingekauft werden, um rechtzeitig Ware liefern zu können.“
Ralf Meurer|Gabor
Ralf Meurer: Wir nehmen bis Ende März Ordertermine für H/W wahr.
Andreas Schaller: Am 20. Januar haben wir die Kollektion übergeben. Früher war es der 31. Januar. Und acht Wochen später sind wir durch.
Kristin Käpplinger: Wir fangen auch Mitte Januar mit dem Verkauf an, aber wir verkaufen bis 15. April. Aus unserer Händlerperspektive ist die Beschaffungs- und Produktionszeit mit zu berücksichtigen. Wir fangen bereits im Oktober an, H/W-Ware zu produzieren – lange bevor die Kollektion dem Vertrieb übergeben wird. Wir gehen hier also durchaus ins Risiko.
Roman Degenhardt: Den Großteil meiner H/W-Vororder, ca. 95%, platziere ich im Zeitraum Mitte Januar bis Ende Februar.
Thomas Hüser: Nach der Messe in Mainhausen kommen für uns noch drei intensive Tage in Breitscheid bis Ende Februar. Dann sind wir durch – dies aber aus der Überlegung heraus, sonst die Ware nicht pünktlich zu bekommen.
Thomas Hüser: Wir haben früher noch bis zu den Fashion Days in Mainhausen geordert.
Ralf Meurer: Wir starten nicht früher als vor der Pandemie – aber wir sind wesentlich früher fertig. Einerseits werden wir gedrängt, weil alles komprimierter abläuft. Und andererseits sind es weniger Termine geworden. Hinzu kommt eine gewisse Bequemlichkeit beim Einkauf: Ein Termin – und dann wird alles durchgekauft. Der Wunsch, dass der Vertreter mehrmals in der Saison Kollektionen vorlegt, ist nicht mehr ausgeprägt. Früher war es durchaus der Wunsch des Handels, den Vertreter öfter zu sehen. Jetzt ist es genau andersherum. Natürlich hat der Händler heute aber auch viel mehr Aufgaben als früher.
Thomas Hüser: Vertreter im Haus, das will ich gar nicht unbedingt. Ein SOC ist für beide Seiten eine gute Einrichtung. Auch mir hilft es, konzentriert an einem Ort viele Kollektionen abzuarbeiten. Nicht selten kommt dann jedoch vom Vertrieb die Anfrage, für einen einzelnen Termin nach Düsseldorf zu fahren. Da muss ich dann aber auch meine Kräfte bündeln. Auf der anderen Seite sehe ich bei den sogenannten Präsenztagen im SOC, wie viele Lichter da ausbleiben.
Stephan Krug: Wie viel Leadtime braucht man für Asien-Produktion und wie viel für Europa, gerechnet vom Zeitpunkt der Order bis zur Auslieferung? Die Fertigung in Europa müsste aufgrund des Transportweges einen Monat schneller gehen. Ein späterer Liefertermin lässt sich für einen Hersteller doch immer einrichten. Wenn also der Handel nur einen Ordertermin wünscht, müsste er sich am Liefertermin der zuerst auszuliefernden Ware, also der Übergangsware orientieren.
"Die Entwicklungszeit ist nach vorne gerückt"
Andreas Schaller|Lloyd
Roman Degenhardt: Halbschuhe und Sneaker brauchen wir erst im Juli/August. Dann würde es auch völlig ausreichen, wenn wir im Januar und Februar ordern. Wir bräuchten den Dezember-Ordertermin nicht. Wir müssten den Zeitpunkt wieder ein bisschen mehr in Richtung Verkaufsschwerpunkt der Ware verschieben – und dann die Ware im Handel auch wieder später reduzieren. Es muss also mehr in die Richtung der ehemaligen Saisonschlussverkäufe gehen. Wenn ich sehe, dass Kollegen neue warmgefütterte, schneefeste Boots bereits Mitte November reduzieren, dann verstehe ich die Welt nicht mehr, denn erfahrungsgemäß kommt deren Hauptzeit erst im Januar/Februar. Aber da manche Kollegen sich diese Ware anscheinend schon Ende August liefern lassen, kommt es zu solchen Reaktionen.
Thomas Hüser: Hersteller, die eigene Stores haben, müssten doch leicht feststellen können, wann der richtige Zeitpunkt für die Ware im Handel ist.
Ralf Meurer: In unseren eigenen Stores gibt es Lammfell-Stiefel nicht vor Ende September. Die stehen sonst in der Vorwahl und klauen einem anderen Schuh den Platz. Es ist schwierig, für alle Märkte und alle Handelsformate eine pauschale, perfekte Lösung zu finden.
Andreas Neuhaus: Es hat sich gezeigt, dass in dieser kleinen Runde gegenseitige Anforderungen und Wünsche dargestellt werden. Die Komplexität jedes einzelnen Händlers ist doch deutlich größer als man es sich vorstellen kann. Wir brauchen ein engeres Zusammenrücken und ein klareres Konzept für 80% unserer Ordertätigkeit. Hier sind wir leider gefangen. Wir hören seit geraumer Zeit, dass unsere Schaufenster von Nord bis Süd gleich aussehen. Wir brauchen wieder 20% mehr Individualität in jedem Schaufenster. Hier gibt es meiner Meinung nach den besten Ansatz, aber das erfordert Disziplin und Mut bei der Planung des Saisonbudgets, sowohl beim Handel als auch der Industrie.