Rund 30 Prozent weniger Mitarbeiter am Firmensitz in Obertshausen, die Aufgabe eigener Geschäfte, eine deutlich gestraffte Kollektion: Der Sanierungsplan für die Picard Lederwaren GmbH & Co. KG, die am 11. Mai 2020 einen Antrag auf das Schutzschirmverfahren stellte, umfasst drastische Maßnahmen in allen Bereichen des Geschäftsbetriebs. Und dennoch ist Geschäftsführer Georg Picard heute „froh“, frühzeitig alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet zu haben.
Die Corona-Krise hat alle Bereiche des Wirtschaftslebens getroffen. Auch diejenigen, mit denen man zunächst nicht rechnet. „Die strategischen Investoren waren mit sich selbst beschäftigt, die Finanzinvestoren in Kurzarbeit“, sagt Georg Picard mit Blick auf seine Aktivitäten in den vergangenen drei Monaten. Daher wurde das auf drei Monate angesetzte Schutzverfahren auch bis Ende August verlängert.
Die Gespräche mit den Investoren seien noch nicht abgeschlossen, erklärt Picard im Gespräch mit LR. Es zeichne sich eine Lösung ab, die für das Unternehmen und die Gesellschafter einen idealen Weg in die Zukunft darstelle.
Der Sanierungsplan wird umgesetzt, wenn das Schutzschirmverfahren am 31. August 2020 endet. Demnach baut Picard rund 30 Prozent seiner Belegschaft in Deutschland ab. Das entspricht etwa 40 Mitarbeitern. Das Werk in Tunesien ist bereits geschlossen. Die Produktionsbetriebe in der Ukraine sowie Bangladesch bleiben bestehen. Die Fertigung in Deutschland werde zwar verkleinert, soll aber unbedingt aufrechterhalten werden. „Wir sichern in Obertshausen das Know-how des Täschner-Handwerks. Wenn wir das aufgeben, dann ist es endgültig passe. Und es zahlt auf die Marke ein. Daher wollen wir das Handwerk des Feintäschners künftig noch sichtbarer machen.“
Picard präsentiert bereits jetzt eine deutlich gestraffte Kollektion. Modische neue Ware mit monatlichen Lieferterminen sowie die NOS-Standardprogramme spielten weiter eine sehr bedeutende Rolle. Georg Picard: „Für Systempartner bleibt EDI ein wichtiges Thema und wird auch für alle anderen immer wichtiger.“
Stichwort Einzelhandel: Picard wird seine eigenen Geschäfte in Innenstadtlagen schließen. „Die Relation zwischen Umsatz und Miete passt nicht.“
Picard: „Systemrelevant“
„Wir haben einen sehr konservativen und realistisch machbaren Businessplan aufgestellt.“ Georg Picard zeigt sich ausgesprochen positiv, zumal die Orderzahlen aktuell anziehen. „Die ausländischen Kunden ordern ebenfalls überraschend gut, und auch die Entwicklung bei Galeria Karstadt Kaufhof ist nicht so schlecht wie anfangs befürchtet.“
Die Resonanz aus der Lederwarenbranche stimmt Georg Picard optimistisch. „Wir haben in letzter Zeit sehr positives Feedback bekommen. Es hieß: ,Picard ist eine starke Marke, Ihr seid systemrelevant‘.“
Der Lederwaren-Fachmann ist überzeugt, dass sich das Geschäftsleben in den nächsten Monaten noch nicht normalisieren wird. „Aus heutiger Sicht bin ich daher froh, rechtzeitig diesen Schritt eingeleitet zu haben. Wir hatten dadurch Zeit, etwas zu planen, haben um jeden Millimeter Picard gekämpft. Es ist unglaublich traurig, sich von wertvollen und treuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verabschieden zu müssen. Gleichzeitig blicke ich sehr optimistisch in die Zukunft von Picard als selbständigem familiengeführten Unternehmen und seinen 80 gesicherten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern plus den 45 in den eigenen Picard-Shops.“
Welche Rolle Georg Picard der Kauf- und Warenhauslandschaft in Deutschland zuspricht, wie die Planungen für die Shops an Flughäfen aussehen und welche Strategie der Lederwarenspezialist im Marketing- und Vertriebsbereich fährt, erfahren Sie in der kommenden Ausgabe von Lederwaren Report, die am 24. August 2020 erscheint.