„Der Einzelhandel muss Profil zeigen und sich spezialisieren!“

Mit dem Thema Sicherheitsschuhe sind wir nah bei Schuhen. Wie sehen Sie die Zukunft im Schuheinzelhandel? Haben Sie ein paar Tipps und Ideen parat?

Marie Ernst spricht über die Zukunft des Ladenbaus. (Foto: Schwitzke & Partner)

Marie Ernst: Die Schuhläden wollten in der Vergangenheit immer alles an alle verkaufen, man wollte jeden zufriedenstellen und alles im Store haben. Dieser Trend ist jetzt rückläufig, das sieht man aktuell bei einigen namhaften Playern. Die Mitte wird immer kleiner, aber Discounter und das Luxussegment wachsen. Ich glaube, dass diese Schuhläden, in denen es ein Sortiment vom Kleinkind bis zum Senior, von günstig bis hochpreisig, alles gab, zunehmend verschwinden werden. Um zukünftig erfolgreich zu sein, müssen sich nicht nur die Marken, sondern auch die Händler stärker positionieren.

Das zeigen Beispiele wie Afew in Düsseldorf auf der Oststraße, die ihren Store nicht einmal in einer Top-Lage haben. Dafür bieten sie eine kuratierte Auswahl an limitierten Sneakern. Sie haben den Mut gehabt, sich auf ein Segment zu fokussieren. Schuhmarken wie Copenhagen, Veja oder Birkenstock funktionieren, weil sie sich stark positioniert haben. Es geht darum, ein erkennbares Profil zu zeigen und sich zu spezialisieren.

Wie schätzen Sie die Lage in den Innenstädten ein? Es gibt immer weniger große Flächen und viele Ladenlokale stehen leer.

Marie Ernst spricht über die Zukunft des Ladenbaus. (Foto: Schwitzke & Partner)

Marie Ernst: Die Flächen sind inzwischen zu groß, nicht nur bei den Schuhläden. Die großen Textileinzelhändler gehen inzwischen dazu über, Anzahl der Stores, Standorte und Flächen zu reduzieren und sich auf nur einen repräsentativen Flagshipstore zu fokussieren. Wenn derselbe Retailer an jeder Ecke einer Innenstadt auftaucht, macht das eine Marke etwas beliebig. Besser ist ein guter Store, der die gesamte Markenkompetenz räumlich und in allen Facetten abbildet. Für die Zukunft gelten unterschiedliche Ansätze. Ich glaube an die Innenstadt, aber auch, dass Stadtviertel funktionieren. Der jeweilige Standort muss zur Marke oder zum Händler passen und das Konzept muss überzeugend sein. Die Kundinnen und Kunden erwarten, dass die Marke insgesamt schlüssig ist und eine klare Haltung zeigt. Das gilt genauso für Discounter. Da ist häufig das Motto: Preis geht über Qualität, aber auch das ist eine Aussage die glaubhaft transportiert werden will.

Wie gehen Sie bei der Umsetzung der Einzelhandelskonzepte vor?

Marie Ernst spricht über die Zukunft des Ladenbaus. (Foto: Schwitzke & Partner)

Marie Ernst: Zunächst setzen wir uns mit dem Kunden zusammen und sprechen über seine Zielsetzung und die Positionierung seines Stores bzw. seiner Marke. Häufig überlegen wir auch gemeinsam mit dem Kunden, welche Mietfläche die Richtige für ihn ist und welche Lage zu seiner Marke passt. Wir als Externe haben eher den Blick von oben und entdecken Alleinstellungsmerkmale, die dem Kunden selbst manchmal gar nicht bewusst sind.

Im nächsten Schritt entwickeln wir in enger Abstimmung mit dem Kunden sein Konzept, vom Groben ins Feine. Bei allen Aspekten versuchen wir die Identität der Marke auf den Raum zu übertragen. Anschließend planen wir den konkreten Store bis zur Fertigstellung. Wenn der Kunde dann auch wirtschaftlich erfolgreich ist, sind auch wir zufrieden.

Die Euroshop steht vor der Tür. Welche vier Trends sind im Ladenbau richtungsweisend?

Marie Ernst spricht über die Zukunft des Ladenbaus. (Foto: Schwitzke & Partner)

Marie Ernst: Nachhaltigkeit: Nike hat vor kurzem in Seoul einen Store er- öffnet, der weitgehend aus bereits recycelten Materialien besteht. Er wurde mit dem LEED Gold Zertifikat ausgezeichnet und ist auch der erste in Asien, der Recycling & Donation anbietet. Das heißt: Kunden können getragene Schuhe, Sneaker und Kleidungsstücke spenden, Nike gibt sie je nach Qualität an lokale Projekte weiter oder recycelt sie. Aus 20.000 recycelten Sneakern hat Nike gerade in Belgrad einen Basketballplatz und einen Spielplatz mit Sportgeräten fertig gestellt. Die Schuhe wurden von der örtlichen Gemeinde gespendet und wären ansonsten auf der Mülldeponie gelandet.

Digitalisierung: In Shenzhen hat Burberry den ersten Social-Retail-Store eröffnet. Der Store ist knapp 6.000 qm groß und ist in zehn gestalterisch komplett unterschiedliche Räume aufgeteilt, die die Kunden sowohl physisch, als auch digital erkunden können. Man kann ein spezielles „WeChat”-Mini-Programm nutzen, um auf dem Weg durch das Geschäft eine soziale Währung zu verdienen, die man für den Zugang zu exklusiven Inhalten und personalisierten Angeboten einsetzen kann. Der Store funktioniert also ähnlich wie das Spiel Pokémon Go. Er ist physisch erleb- bar, bietet aber auf der digitalen Ebene noch zusätzliche Angebote. Authentizität: Die Düsseldorfer Marke LFDY (Live Fast Die Young) ist ein sehr schönes Beispiel für eine inhabergeführte Marke, die komplett und auf der gesamten Plattform die Persönlichkeit des Eigentümers widerspiegelt. Online und in den Stores, die gestalterisch auf den jeweiligen Standort bezogen sind, gleichzeitig den Stil der Marke abbilden und der Fan-Community eine Anlaufstelle bieten, mit der sie sich identifiziert.

Kollaboration: Meine persönliche Lieblingskollaboration und wahrscheinlich auch eine der Bekanntesten im Jahr 2022 war die zwischen Gucci x Adidas, auch genannt #guccididas. Eine geniale Symbiose beider starker Marken. Alessandro Michele hat sich in den 70er und 80er Jahren bedient und ist großzügig mit Streifen und Logos umgegangen. Die Kollektion ist zwar nicht direkt ein Storedesign-Trend aber für viele dennoch ein Grund in den Store zu gehen und für beide Marken die Möglichkeit eine noch größere Reichweite zu erzielen. Solche Kollaborationen machen zum einen die Luxusmarke cooler und die Streetwear- oder Sportmarke begehrenswerter.